Sonntag, 30. April 2017

Vergissmeinnicht


Jürgen Schwalm: “Blau geblümt”, elektronische Fotostudie, 2016



Jürgen Schwalm

Vergissmeinnicht

„Vergiss mich nicht“, sagte meine Tante beim Abschied.
Und ich dachte:
Man vergisst leider nie, was man vergessen will
oder was man besser vergessen sollte.

Ich war blauäugig genug,
zu vergessen,
dass der Ausspruch meiner Tante
nur eine Floskel war,
eine dieser blau verplapperten Spruchblüten.

(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)






Sonntag, 23. April 2017

Im Frühling wachsen dem Rasen wieder die Haare......


Jürgen Schwalm: “Im Frühling wachsen dem Rasen wieder die Haare”, Collage (Papier und Seide) 2017



Jürgen Schwalm

Im Frühling wachsen dem Rasen wieder die Haare.
Gut gedüngt
zeigt er sich verjüngt
und erwartet den Schnitt.

Bei diesem wunderbaren
Phänomen der Natur
kommt Vaters Schädel nicht mit;
er liegt ohne Frisur
längst blank und bloß.
Da nützt kein Birken-Wasser, keine Massage,
dort sprießt weder Gras noch Moos.

(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)













Montag, 17. April 2017

Mit Pinsel und Palette


Jürgen Schwalm: Gläserne Landschaft 5, Hinterglasmalerei, 2011


Jürgen Schwalm

Mit Pinsel und Palette

Wir werden unsere Landschaft neu bebildern. Du kannst den Vorhang vom nächtlichen Horizont ziehen, denn wir brauchen keine Verdunklung mehr, um verblichene Fotos von gestern zu projizieren. Dafür spannen wir eine Leinwand von Osten nach Westen, um die Südsonne einzufangen.
Dann mischen wir die Farben der Jahreszeiten neu: Wir betupfen das Erdbraun mit Mandelblütenrosa und Veilchenviolett, verrühren das Frühlingsgrün mit dem Meeresindigo, stellen das Wolkenweiß in den saftblauen Himmel und werfen das Beerenrot in das Korngelb. Eisgrau und kohlschwarz verwenden wir nicht, weil wir den Winter verachten.
Und dann nehmen wir den Farbenspatel. Spachteln werden wir, damit unsere Welt Relief und Profil erhält. Lass die Leute nur reden und die Kritiker schreien, das kümmert uns nicht. Wir lachen und antworten: Da hängt unser neues Leben, unser wiedergefundenes Paradies.

Aus: Jürgen Schwalm: „Farbwechsel“







Sonntag, 9. April 2017

Das Kreuz

Jürgen Schwalm: “Gekreuztes Blau” (Fotostudie 2016)


Das Kreuz
Eine Betrachtung zur Passionszeit

Das Kreuz symbolisiert die Vereinigung der Gegensätze, die Überwindung der dualen Weltsicht, die seit der Vertreibung aus dem Paradies das Schicksal der biblischen Menschen war. Die horizontale Linie des Kreuzes steht für das Weibliche, die Erde und die Materie. Die vertikale Linie steht für die schöpferische Kraft des Männlichen, den Himmel und den Geist. Die waagerechte Linie kann auch aufgefasst werden als Linie für die Zeit, die senkrechte Linie als die der Ewigkeit, wobei die Ewigkeit die Zeit schneidet. Der Schnittpunkt der beiden Linien, in dem sie eins werden, ist zugleich der Kraftpunkt, aus dem die ganze Welt sich entfaltet in die vier Himmelsrichtungen. Das Prinzip, das hinter dem Prozess der Vereinigung der Gegensätze im Zeichen des Kreuzes steht, ist das der Versöhnung der Dualitäten im Zeichen der Liebe.

Jürgen Schwalm

 

 

Samstag, 1. April 2017

"Grenzfälle" - Texte aus Brandenburg und Schleswig-Holstein


“Das Netz der Worte” – Versteinerte Netzkoralle aus dem Silur, Gotland. 
Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm



Im Verlag für Berlin-Brandenburg (vbb) ISBN 978-3-945256-82-4
erschien der Anthologie-Band „Grenzfälle“ – Texte aus Brandenburg und Schleswig-Holstein – herausgegeben von Klaus Rainer Goll, Klaus Körner und Till Sailer mit Geleitworten von Manfred Stolpe und Björn Engholm. In dem Band ist Jürgen Schwalm mit den Beiträgen „Jahrgang 1932“ und „Zwischen den Fronten“ vertreten.