Samstag, 25. November 2017

Im bescheiden Unbefragten

Jürgen Schwalm: Der Herbst des Lebens, Fotostudie, 2016


Jürgen Schwalm

Im bescheiden Unbefragten


Die schlanke Kühle des Morgens
auf der alternden Haut.
Ich muss die Parolen des Tages
nicht mehr verstehen,
wenn ich langsam
Stufe für Stufe
die Treppe hinabgehe,
die zu meinem kleinen Garten führt,
weil ich dort geborgen bin
im bescheiden Unbefragten.
 
 
 

Sonntag, 19. November 2017

J.S. Bach Hohe Messe in h-moll

 

Jürgen Schwalm: “Variation in h-moll auf Goldgrund”, Fotostudie, 2016
 

Am 12. November 2017 fand eine denkwürdige Aufführung der Messe in h-moll von
Johann Sebastian Bach in der Lübecker St. Ägidienkirche statt.


Jürgen Schwalm

Johann Sebastian Bach
Hohe Messe in h-moll


Du verzweifelst in deiner Not
aus der Tiefe schreist du
de profundis
Kyrie Kyrie Kyrie

Gib dich nicht auf
denn die Fanfaren ertönen
jede Note ist der anderen zugemessen
und folgt ihr geordnet

Aus dem Kosmos des Kontrapunkts
leuchtet der Stern der Hoffnung
auch für dich auf

Höre wie die Botschaft
die Treppe des Heils
Takt für Takt
zu dir herabschreitet
und unter Trommelwirbeln
Weihrauch den Klangraum erfüllt
im Sanctus und Hosanna

Zweifle nicht länger
dass alle Strenge doch Güte war und ist

Sieh wie die Seele sich schmücken darf
mit Flötenklängen
die aus jenen Höhen tropfen

Wozu noch Zweifel
Aufgehoben wirst du sein





Samstag, 11. November 2017

Jean Cocteau


Jean Marais: “Kopf mit vier Gesichtern”. Die Plastik wurde inspiriert durch eine Szene in Jean Cocteaus Film: “Le Sang d’un Poete” von 1930. In der Filmszene dreht sich ein aus Draht geflochtener Kopf um die eigene Achse. – Sammlung Jürgen Schwalm


Jürgen Schwalm

Jean Cocteau


Im Grunde lebt die Kunst Cocteaus von wenigen Einfällen, die sich zudem als Leitmotive wiederholen: von Gängen durch Wände und Spiegel, von Todesboten, von Handschuhen, die bei mordenden Bestien dampfen, und von gefährlichen Schneeballschlachten.
Bei Cocteaus „Reise um die Welt in achtzig Tagen“ bleibt vieles ungesehen und ungeschehen auf der Strecke, weil Cocteau dabei sein Coupé nicht verlässt, das aussieht wie seine Mietswohnung, die herrlich opiumdurchschwängert ist und von bösen Kindern und schrecklichen Eltern ramponiert wird. Überall häuft sich das zusammengestohlene Inventar; edle Kaminbüsten finden sich neben Gießkannen, die ungebraucht verrosten, weil hinter den Plüschportieren nur künstliche Blumen wachsen. Aber diese Unordnung ist Cocteaus Vorteil. Die kuriose Einrichtung bleibt ja nicht an den Stellen, wohin sie das Leben warf; sie purzelt vielmehr immer wieder in überraschender Weise neu und anders durcheinander, und Cocteau kennt keine Skrupel, diese zufälligen Konstellationen aufzuschreiben, als hätte er sie erdacht. Aus dieser Hemmungslosigkeit erwuchs sein Ruhm zu akademischen Höhen und Ehren.
 
(aus: „Der Lebens-Baum“ –Betrachtungen, 2005)


Samstag, 4. November 2017

Eros - Agape - Philia


Jürgen Schwalm: “Die Zeit ist ein Meer aus Glas”, Fotostudie, 2016

Jürgen Schwalm

Eros – Agape - Philia

Die Zeit ist ein Meer aus Glas.
Unsere Jahre schliffen die Wellen aus
im Auf und Ab der Flut.
In gläserner Tiefe
liegt all dies mit dir gemeinsam Erlebte.
Ich schwieg schon zu lang
von der Trinität unserer Liebe.
Im Feuersturm zerschmilzt die Zeit,
wenn ich mich endlich
 zum Unzerstörbaren bekenne,
das uns von Anfang an verband.

(aus: Griechische Zeilen)