Freitag, 28. Juni 2019

Dietrich Buxtehude

Jürgen Schwalm: Lübeck St. Marien, Hinterglasbild, Ausschnitt, 2019


Jürgen Schwalm

Dieterich Buxtehude

Die Flut der Klänge
drängt zum Gewölbe
Sankt Marien erwacht
Der Lübecker Meister spielt
Die Register sind gezogen
Dem Bälgetreter wird warm
denn viel Luft wird gebraucht
bei  jedem großen Werk des Organisten
sei es manualiter oder pedaliter
vor allem aber
organo pleno

Dieterich Buxtehude
hat die Feder eingetaucht
und die Noten sprießen lassen
hat sie behängt
mit dem Flittergold prunkvoller Verzierungen
und dem Rankenwerk gravitätischer Verneigungen
hat sich gebeugt vor Gottes Wort
ganz tief und gehorsam

hat den behördlichen Verordnungswust ertragen
in der kärglichen Kammer im Werkhaus
durch das der Küchendunst wabert
der musenfeindliche Kohlgeruch
im Alltagskampf
wo ihm der Ärger mit der Bauverwaltung
den Hals abdrückt
die Sorge um den Nachfolger
und um seine Tochter natürlich auch

Unbeirrt setzt er immer wieder
punctum contra punctum
bis zum Finis operis
lässt die Regenschauer der Präludien
niederprasseln
arrangiert die Jagd der Fugen
durch den sommerlichen Wald
jugendlicher Erinnerungen
und hofft
dass dieser kostbarste Schatz
bis zum letzten Tutti bleibt

Am End war nur noch Klang was da geschah
und führte ihn vom E ins H



 


Samstag, 22. Juni 2019

Nicht allzubequem

Georg Philipp Schmidt von Lübeck: “Nicht allzubequem”, 2. Strophe in der Handschrift des Dichters



Georg Philipp Schmidt von Lübeck
1766- 1849

Nicht allzubequem


Es geht mir viel zu gut auf Erden,
Drum bin ich, Freunde, mißvergnügt,
Ich werde schon vergnügter werden,
So bald der Himmel Noth verfügt.

Allzu bequem – ich muß nur lachen,
Das Salz des Leben ist die Noth,
Uns ekeln lauter süße Sachen –
Zum Futter ja kein Zuckerbrot!

Ich muss den Aepfel selber pflücken,
Und hätt’ ich auch die Taschen voll,
Ich muß mich nach dem Veilchen bücken,
Wenn es mir Freude machen soll.

Man steckt die Speisen, nicht zum Kauen,
Dem Lama in den Mund hinein,
Er darf nur schlucken und verdauen –
Ich möchte nicht der Lama seyn.

                                Schmidt von Lübeck
 
Altona den 8. Dec.                                 
1837.                                  

Ältere Fassung eines Gedichtes, das unter dem Titel
„Glück und Mühe“ in die Ausgabe letzter Hand der „ Lieder“
3. vermehrte und verbesserte Auflage Altona 1847
S. 305 aufgenommen wurde.
Die handschriftliche Urfassung findet sich in:
Hans-Rudolf Wiedemann:
Deutsche Gedichte in Handschriften
NOBEL-Verlag Essen 1982


Jürgen Schwalm publizierte im Almanach deutschsprachiger
Schriftsteller-Ärzte (28.Jg. auf das Jahr 2006) seinen Essay:
Da, wo du nicht bist, ist das Glück
Leben und Werk des Dichters
Georg Philipp Schmidt von Lübeck

Das Typoskript kann vom Verfasser angefordert werden



Samstag, 15. Juni 2019

Ausstellung Hinterglasmalereien und Collagen/Artikel Gisela Heese


Gisela Heese
schrieb über die Vernissage der Ausstellung
Hinterglasmalereien und Collagen von JÜRGEN SCHWALM
am 3. Mai 2019 in den Geschäftsräumen DAS OHR
Mühlenstraße 69, 23552 Lübeck:

Diese Feder stammt von einem Paradiesvogel

Wenn man über ein Gesamtkunstwerk sprechen möchte, möge man sein geneigtes Auge auf Jürgen Schwalm richten. Und dabei bleibt selbiges nur kurz an der Perlenhäkelei seiner Fliege hängen. Gleich hinter ihm steht am 3. Mai 19 im Geschäft Das Ohr in der Mühlenstraße 69 auf einer Glasvitrine (mit neuesten, winzig kleinen Akustik-Hilfen) eine an der Form als alt erkennbare Buffet-Uhr im Gewand einer Unterwasserlandschaft ‒ und hinter dem Uhrglas tummelt sich statt der Zeiger ein munterer Fisch. Der Hörgeräteakustikermeister Hellmut Kroschel hat sich neben den Ohren seiner Kunden auch der Kunst verschrieben, besonders der Musik und der Malerei, die an den Wänden des lang gestreckten Ladenlokals reichlich Platz findet. Diesmal glänzen hier die Hinter­glasmalereien von Jürgen Schwalm, der ‒ in seinem früheren Leben Arzt und Schriftsteller ‒ nun als vorzüglicher Literat und kenntnisreicher Redner nicht nur Lübecks Kulturleben bereichert. Die Leidenschaft des vielseiti­gen, schaffensfrohen 87jährigen gilt seit vielen Jahren dem Malen mit Worten und Farben. Mit der spiegelverkehrt aufzutragenden gotischen Kirchen­fensterkunst versucht Schwalm, das Licht des Himmels einzufangen. Jede Farbe, sagt er, entfaltet ihre ganz eigenen Aktivitäten. Das Rot kreischt, das Gelb rümpft die Nase, das Grün weidet sich, das Blau denkt nach, das Indigo riecht nach Weltuntergang, weswegen das Violett betet.
Und er fügt diesem geheimnisvollen Universum weitere erstaunliche Komponenten hinzu. Er wird in seinen Bilder dreidimensional, er hinterlegt mit Glanzfolien oder CDs, die ein unglaublich strahlendes Leuchten erzeugen, wie die Aura seines Ichthys (der Fisch als christliches Symbol), oder das intensive, von innen heraus strahlende Rot seines Feuerengels. Bei dieser Vernissage sind 55 sehr unter­schied­liche Hinter­glasbilder und Collagen an den Wänden von Das Ohr zu entdecken; eingeführt wurde die Ausstellung von Schwalms Vortrag über Geschichte und Bedeutung der Glasmalerei ‒ sowie seinen teils schelmischen ( über die verlorene Feder eines Engels s.o.), teils nachdenklichen (Auferstehung) oder politisch- satirischen Gedichten und Texten (Die Stunde der Wahrheit, Helden u.s.w.). 
Es war ein Augen-, Ohren-, Gaumen­schmaus, denn umsorgt wurden die zahlreichen Gäste liebevoll und reichlich vom Betriebsteam; für die musikalische Umrahmung und Zwischentöne sorgten mit internationalen Liedern und Chansons der Pianist Jason Ponce und der Filialleiter David Pattner, der vom Stimm­volumen her gut hätte ein Theater füllen können. Ein gelungenes Beispiel von Bürger­engagement für die Kunst ‒ der Besuch der Ausstellung lohnt sich allemal.

Prachtvoll leuchtende Farben: Jürgen Schwalm präsentiert sein Objekt Das Bullauge oder Die Fisch-Uhr
(Foto: Benning)

Die Bilder von Jürgen Schwalm können 
weiterhin während der Geschäftszeiten
Mo-Fr. 9.00-18.00 Uhr besichtigt werden



 








Samstag, 8. Juni 2019

Von himmlischen Boten

Jürgen Schwalm: Schutzengel
(gestaltet nach dem altägyptischen Motiv des lebensspendenden Henkelkreuzes), 
Hinterglasmalerei, 2019


Jürgen Schwalm

Von himmlischen Boten

Es ist immer sinnvoll, der Sprache auf den Grund zu gehen. Das Wort Engel ist griechischer Herkunft. Angelos bedeutet: Bote. Boten können gute oder schlechte Nachrichten übermitteln, aber was sie auch immer bringen, sie handeln stets in höherem Auftrag. Engel sind Boten der Mächte, die unser Geschick bewahren und leiten. Engel nahen in vielen Gestalten. In der Antike waren sie Götterboten. Als Gesandte des Gottes der Christenheit verkündigen sie das Evangelium, die gute Botschaft. So erschien der Engel Gabriel Maria mit dem göttlichen Gruß. Wenn in der großartigen Bach-Kantate zum Michaelistag gesungen wird: „Bleibt ihr Engel, bleibt bei mir, führet mich auf beiden Seiten“, dann wird in dieser barock bewegten und bewegenden Anrufung der Beistand von Engeln erfleht, deren Existenz Realität ist. Schon das darauffolgende Jahrhundert mit seinem mechanistischen  Denken sah in den Engeln vorzugsweise vordergründig nur noch Phantome einer Kindermärchen-welt, die auch heute noch im Weihnachtskitsch verzuckert wird.  Aber es gibt die Wahrheit der Engel; von ihrer Botschaft zutiefst getroffen, ja verletzt zu werden, kann für uns die Rettung an und aus den Abgründen des Lebens bedeuten. Es ist eine Gnade, dass die Engel, die uns heimsuchen, uns auch dienen dürfen, indem sie unsere Bitten anhören und als Fürsprecher weiterleiten. Es ist gewiss, das jenseits unserer immer wieder bedrohten Welt Mächte wirken, die uns bergen, leiten und lieben. Wir schaden uns, wenn wir die Engel leugnen, aber wir können über unsere irdische Frist und Begrenzung hinaus überdauern, wenn wir der Kraft vertrauen, die die Engel bewegt. Lassen wir die Engel mit ihrem Ev-Angelium bei uns einkehren. Die Wohnungen der Engel sind immer in den Himmeln, die wir ihnen in den eigenen Herzen bereiten.

Allen Menschen, die mir nahe stehen, wünsche ich ein leuchtendes Pfingstfest!



Samstag, 1. Juni 2019

Dein Gartenkalender vom Vorjahr

Jürgen Schwalm: “Vegetative Strukturen”, 
Fotostudie nach einem Motiv aus Funchal/Madeira, 2016


Jürgen Schwalm

Dein Gartenkalender vom Vorjahr

Da ist am 15. März der „Garten-Frühjahrsputz“ notiert
und am 6. April:
Die Ostergrüße an Nina
nicht vergessen !!!

Am 4. Mai rief der Kuckuck zum ersten Mal
und hörte gar nicht mehr auf.

Dann war Pfingsten auch schon wieder vorbei.
Dahinter hast du die Regentage vermerkt,
an denen die Schneckengesellschaft
uns den grünen Salat abfraß,

die Sonnentage, als die Amseln
abends von allen Vögeln
am längsten telefonierten,

der Küchendienst,
als mir der Kopf anschwoll
vom gärenden Beerenwein,

und schließlich die Septembertage,
als die Dahlien so bunt wurden
wie in keinem Jahr zuvor.

Du hast so viel gewerkelt
auf und zwischen den Beeten.
Und durch alles, was du im vergangenen Jahr
so liebevoll umzäuntest und zähmtest,
so sorgsam behacktest und tilgtest,
erinnert mich noch einmal
dein Garten-Kalender an dich.