Freitag, 25. Oktober 2019

Die Schlange im Paradies

Jürgen Schwalm: “Der Apfelpflücker”, Detail aus der Collage “Etruskische Freuden”, 2003



Jürgen Schwalm

Die Schlange im Paradies

Die Schlange im Paradies lockt immer wieder mit süßer Frucht, deren Genuss sündhafte Wonnen verspricht. Doch sitzt der Wurm im Apfel. Der Biss in solches Obst hat Konsequenzen.
Deshalb lernt jede kluge Eva schnell, Adam ihre eigenen Äpfel anzubieten. Sie kommen ihrem Adam freilich meist nicht so verführerisch vor wie die paradiesischen Früchte. Deshalb zerteilt Eva ihre Äpfel häppchenweise und streut noch tüchtig Zucker darüber. Damit füttert sie ihren Adam zur Mitternacht.
Und siehe da: Adam wird mit dieser Speise sehr zufrieden sein, seine Eva loben und die Schlange im Paradies – wenigstens während des Essens – vergessen.

(aus: Der Lebensbaum, Betrachtungen, 2005)




Samstag, 19. Oktober 2019

HIER-LÜBECK DE - Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung

Seepferdchen (Hippocampus , benannt nach den Hippokampen , Fabelwesen, die in der griechischen Mythologie den Streitwagen Poseidons zogen. - Foto und Sammlung: Jürgen Schwalm).- Joachim Ringelnatz ist ein Nom de plume. Bürgerlich hieß er Hans Gustav Bötticher (1883-1934). Bötticher hat selbst nicht kommentiert, weshalb er sich den kuriosen Namen Ringelnatz zulegte. Er sagte, das Pseudonym habe keine Bedeutung. Forscher äußern, dass der Nachname Ringelnatz auf die Ringelnatter hinweisen könnte (“weil diese sich zu Wasser und zu Lande wohlfühlt”) oder auf das von Seeleuten Ringelnass genannte Seepferdchen, das Ringelnatz oft zeichnete und dem er ein Gedicht widmete. Der Vorname Joachim wird mit seiner Gläubigkeit in Verbindung gebracht (der Name bedeutet. “Gott richtet auf”).  

HIER-LÜBECK.DE – Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung seit 1999 – berichtete (Zitate):

Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm: Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern in der Lübecker Gemeinnützigen

Es war eine amüsante und abwechslungsreiche Soiree im Rahmen der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Litterärische Gespräche“. Am 19. September 2019 boten Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm im vollbesetzten Bildersaal der Lübecker „Gemeinnützigen“ unter dem Titel „Morgennatz und Ringelstern“ einen Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern. Subversives, lustvoll Anarchisches, Groteskes, Skurriles, Melancholisches und Ernsthaftes – dies alles findet sich in der Sprachartistik von Ringelnatz und Morgenstern… Die Gedichte von Ringelnatz und Morgenstern erinnern an den Dadaismus und die MERZ-Kunst von Kurt Schwitters…
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm, die eine hervoragende Textauswahl getroffen hatten, rezitierten zum Teil im Wechsel einfühlsam, nuanciert und akzentuiert und mit phantastischer Mimik und Gestik. Sie ergänzen die eindrucksvolle Präsentation mit erhellenden Kommentaren zu Leben und Werk der beiden Künstler. Beide wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit viel Beifall bedacht.

                                                                                                                              Lutz Gallinat


Freitag, 11. Oktober 2019

332. Literarischer Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises

Dokumente aus dem 2. Weltkrieg (vor 1945). Im Uhrzeigersinn (von links oben): Kleiderkarte für Jürgen Schwalm 1943, Zusatzkleiderkarte für Schwer-Fliegergeschädigte, ausgestellt für Jürgen Schwalm 1944, Versorgungsnachweis für die Familie Schwalm nach Zerstörung der Berliner Wohnung 1943, Ausbesserungsschein für Schuhe, ausgestellt für Jürgen Schwalm 1944, Jürgen Schwalm im Park von Schloss Rosenau (Foto:1944), Jürgen Schwalm auf einem Schulausflug in Zwettl /Österreich (Foto:1944)


Am 29. September 2019 fand der 332. Literarische Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises statt. Im Mittelpunkt der Matinee standen Texte zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.
Zu den Vortragenden gehörte auch Jürgen Schwalm.
Er las seine Kurzgeschichte Achtung- Aufnahme! Wort- und Tonspuren, in der aufgezeigt wird, wie im 2. Weltkrieg in Radiosendungen und Filmen über konsequente Propaganda ideologische Gleichschaltung erreicht werden sollte und dabei auch die Jugend des Autors geopfert wurde.
(Zitat:) “Noch immer jaulen die Sirenen zum Alarm in meinen nächtlichen Träumen. Und die Entwarnung erfolgt stets erst dann, wenn es zu spät ist.“
Die Kurzgeschichte steht in der von Therese Chromik und Bodo Heimann 2010 herausgegebenen Anthologie „Anrufung des Friedens“ 
(ISBN 978-3-89876-488-9).






Samstag, 5. Oktober 2019

Lübecker Theater-Nacht am 28.09.2019

Kurt Schwitters: Anna Blume, Dichtungen. Originalausgabe im Verlag Paul Steegemann, 
Hannover 1919. Umschlaggestaltung: Kurt Schwitters. Exemplar im Besitz des Verfassers


In der Lübecker Theater-Nacht
am 28. September 2019
rezitierte Jürgen Schwalm
in der Aula des Lübecker Johanneums
Texte des MERZ-Künstlers Kurt Schwitters (1887-1948),
darunter auch „Anna Blume“ und die „Ursonate“.



Schwitters war ein Multitalent, ein Allround-Künstler, Maler, Grafiker, Architekt, Collagist in Bild und Wort, ein Zertrümmerer, der aus dem Chaos eine neue Welt erschaffen wollte, die MERZ-Kunst nämlich, in der er, seinen eigenen Worten zufolge, „Beziehungen schaffen wollte, am liebsten zwischen allen Dingen der Welt.“ Schwitters neue Welt musste natürlich einen Namen bekommen. Aber warum ausgerechnet MERZ? Lassen Sie mich das mal so erklären:

Eines Tages, vor 100 Jahren, also 1919 war’s, da erhielt Kurt Schwitters einen Brief von der Commerzbank. Er dachte erst, er würde zu einem Kommers geladen, aber es war doch das Geldinstitut. Er dachte: Komm, komm, komm, ich verhielt mich doch immer comme il faut, aber es war März und er brauchte nicht lange zu raten, es ging um die Raten, und er hatte wieder mal kein Geld sondern nur noch einen Knopf im Portemonnaie für den Klingelbeutel. Er sprach: „Kunst und Kommerz verträgt sich nicht“, und er nahm den COMMERZ und zerriss ihn inmitten, da hatte er in einer Hand das COM und in der anderen den MERZ, nur waren beide Teile falsch geschrieben. Er aber rief: „Was kümmert’s mich, du dummer Duden du!“ Und er sang: „Komm, lieber MERZ, und mache die Bäume wieder Mai!“ Ei- ai, ei -da, da-da: da war die MERZ-Kunst geboren!

                                                                                                                                       Jürgen Schwalm