Freitag, 30. April 2021

"Wort und Bild und Kunst und Leben" - neuer Prosa-Band von Jürgen Schwalm

Die Wurzel der Alraune = Mandragora (Mandragora offizinarum) kann der menschlichen Gestalt ähneln und wurde infolgedessen in alten Kräuterbüchern oft als Männlein und Weiblein abgebildet. Schon in der Antike galt sie als Zauberpflanze. – In der Assemblage liegt ein fünfzig Jahre altes Alraunenmännlein aus dem Harz zwischen den Holzschnitten eines männlichen und weiblichen Mandragora-Exemplars im Hortus Sanitatis von 1511 (Neudruck nach dem Original in der Civica Biblioteca di Bergamo bei der Edition Georg Popp, Würzburg 1978). – Foto: Jürgen Schwalm, 2021


 

Noch in diesem Jahr wird der neue Prosa-Band von Jürgen Schwalm erscheinen: „Wort und Bild und Kunst und Leben“. – Es folgt eine Leseprobe aus dem Artikel: „Kitsch in der Literatur“.
…Das Thema der künstlichen Insemination wurde schon 1911 in die Literatur eingeführt. Eine Dirne wird mit dem letzten Samen eines guillotinierten Mörders befruchtet. Das merkwürdige Produkt dieser Zeugung beschrieb Hanns Heinz Ewers in seinem Roman „Alraune“.
Na, meine Damen und Herren, haben Sie diesen Roman auch in Ihrer Jugend ganz insgeheim verschlungen? Meine Eltern besaßen das köstliche Buch. Sie hatten es im Bücherschrank in die zweite Reihe verbannt, wo wir Kinder es natürlich erst recht fanden. Ich kapierte noch nichts. Aber meine älteste Schwester flüsterte meiner zweitältesten Schwester ins Ohr: „Den darfste nur unter der Bettdecke lesen. Der liest sich wie gemopste Schokolade!“
Alle Ingredienzien des Romans „Alraune“ wurden schnell auch im Kintopp verrührt.
Zweimal spielte Brigitte Helm das attraktive, aber durch seine obskure Herkunft psychisch vermurkste Geschöpf.
Jahrzehnte später durfte dann Hildegard Knef als Alraune das „Lied vom einsamen Mädchen“ raunen:
Sie herzte sanft ihr Spielzeug,
bevor sie es zerbrach,
und hatte eine Sehnsucht
und wusste nicht wonach.
Weil sie einsam war
und so blond ihr Haar
und ihr Mund so rot wie Wein.
Ach, keine konnt so küssen
und doch so einsam sein.
Originalton Hanns Heinz Ewers in „Alraune“:
„Küss mich“, flehte er. „Küss mich.“- Er trank ihre Küsse, zog das heiße Blut ihrer Lippen, die ihre Zähne zerrissen. Und er berauschte sich, wissend und mit Willen, wie an schäumendem Wein, wie an seinen Giften vom Osten…Da drängten sich ihre Locken noch enger um seine Stirn, fielen ihre Küsse wilder noch und heißer. Nun lagen zertreten des Tages klare Gedanken. Nun wuchsen die Träume, schwoll des Blutes rotes Meer. Nun schwangen Mänaden die Thyrsosstäbe, schäumte des Dionysos heiliger Rausch… Dann aber schlugen die Lohen, brannten himmelhoch die heißen lodernden Flammen. Flogen die Fackelbrände, zündeten die Altäre, wie mit blutigen Lefzen der Wolf durch das Heiligtum sprang. Sie umschlang ihn, presste sich eng an seine Brust,. „Ich brenne“, jauchzte sie, „ich verbrenne“. Da riss er ihr die Kleider vom Leibe…
Halten wir ein in diesem wonnigen Augenblick. Blenden wir den Film ab, damit der erläuternde Nachspann folgen kann. Denn der Kitschproduzent dreht ja stets über den Schluss hinaus. Er findet nie ein End, auch nicht im Happyend…
 
 
 

 

 

Freitag, 23. April 2021

Corona-Song (2021)

Jürgen Schwalm: “Da stehen Zeichen für dich im Raum”, Fotostudie, 2016

 


Jürgen Schwalm

Corona-Song (2021)


Ich möchte mal wieder nach freiem Entschluss
abends in eine schummrige Bar gehn,
nach einem hübschen Mädchen ausspähn,
mit ihr von Bier zu Bier die Nacht verquatschen,
sie einmal hier und dort betatschen,
ein flüchtiger Kuss wär auch noch drin beim Scharwenzen,
doch alles bliebe ohne Konsequenzen.

Refrain: Ich darf es nicht. Ich verliere die Kraft,
verschmore in meinem eigenen Saft.

Ich möchte mal wieder nach freiem Entschluss
beim Rentner am Straßeneck verweilen,
anstatt maskiert vorüber zu eilen,
will seine Alterssorgen mit ihm teilen,
den Abschiedsgruß mit einem Händedruck ergänzen,
und alles hätte seine Konsequenzen.

Refrain: Noch darf ich es nicht. Doch ich habe die Kraft.
Ich werde es schaffen. Dann hab ich’s geschafft.

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 16. April 2021

44. Jahrgang des Almanachs deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte

    Das Gelände der Kieler Universitätsklinik für Innere Medizin 1957/58 vor dem Umbau, 

Foto: Jürgen Schwalm


Die alte Universitäts-Hautklinik in Kiel-Wik, 

Foto: Jürgen Schwalm, 1959

 

 

Kürzlich erschien der 44. Jahrgang (auf das Jahr 2021) des Almanachs deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte, herausgegeben 2021 von Seemann Publishing ISBN 9798724878050.  

In dem Band setzt Jürgen Schwalm den Bericht über seine Assistentenzeit an den Kieler Universitätskliniken für Dermatologie  (Prof. Dr. Albin Proppe) und für Innere Medizin (Prof. Dr. Helmuth Reinwein) fort. Erzählt wird von Privatem, vor allem aber von Ereignissen und Skandalen, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bei der Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen auch die Universität Kiel erschütterten (die Fälle: Werner Heyde alias Fritz Sawade und Werner Catel; das Thema: Euthanasie).  

 

 

 

 

 

 

 


Freitag, 9. April 2021

Das Geheimnis

Sabine Törper: “Das Geheimnis”, Terrakotta, 1999



Wenn zwei Körper miteinander so verbunden sind,

dass der eine aus dem anderen zu wachsen scheint,

wie zwei Wipfelkronen aus derselben Wurzel treiben,

und sich Leib an Leib entgegen neigen,

um mit einem Kuss ihr Bündnis zu besiegeln,

kann die Axt des Schicksals diesen Lebensbaum zwar fällen,

doch das Wunder bleibt.

 

                          Jürgen Schwalm


 

Freitag, 2. April 2021

Ostern 2021

Kräuterbuch des Petrus Andreas Matthiolus. Drei Hasen. - Der Verfasser war der hochberühmte Arzt Pietro Andrea Mattioli, geb. 1500 (oder 1501) in Siena, gest. 1577 in Trient an der Pest. - Das Buch erschien in vielen Auflagen; die Abbildung stammt aus der Ausgabe, die nach dem Tod Mattiolis 1583 im Verlag Valgrisius ( Verlagsbegründer: Vincenzo Valgrisi, geb. ca. 1490) in Venedig erschien.


Jürgen Schwalm

Ein vierjähriges Mädchen antwortete auf meine Frage:
„Wie schmeckt denn der Schokoladen-Osterhase?“
„Rosa!“
Auf meine Nachfrage: „ Nicht nach Schokolade?“,
wiederholte es: „Ja, rosa!“ 
 
Der Hase stellt die Ohren auf
um zu erlauschen
wie der Frühling sein Ei legt

Zwischen gestern und Ostern
brüten die Farben aus
und zwitschern neue Bilder


aus: Jürgen Schwalm:
Vernissage - Bilder einer Ausstellung
Th. Breit - Verlag Marquartstein 1990