Freitag, 29. Dezember 2023

Die Geschichte vom Einhorn (Fortsetzung)

Eva Schwieger-von Alten:

Exlibris für Jürgen Schwalm, 1980


 

Jürgen Schwalm: "Das Einhorn

und das Keinhorn", Collage, 2014
 
 
 
Jürgen Schwalm
 
Die Geschichte vom Einhorn


(Fortsetzung)

mit besten Grüßen zum Jahreswechsel

 
Das Einhorn lebte schon in der Antike. An der Grenze zur Neuzeit zog sich das Tier zurück. Künstlern begegnet es manchmal noch in ihren Träumen, wie es meiner Freundin, der Malerin Eva, geschah. Sie zeichnete, was sie sah: Ein schneeweißes Wesen mit einem Pferdekopf und gelockter Silbermähne. Aber das Tier huschte so schnell vorbei, dass sie nur einige zarte Umrisslinien aufzeichnen konnte; vielleicht war es doch bloß ein Schimmel gewesen. Aber Eva ergänzte in ihrer Zeichnung die Stirn des Pferdekopfes mit einem gedrehten Narwal-Zahn, den sie in einem verstaubten Apothekenfundus entdeckt hatte; und da sie damit schon im medizinischen Bereich angekommen war, wand sie gleich noch eine Äskulapnatter um den langen spitzen Stirnfortsatz. Derart ausgestattet sprang das Einhorn, auf Exlibris-Blättchen vervielfältigt, in die Buchdeckel meiner ärztlichen und belletristischen Bibliothek, wo es nun mit großen dunklen Augen, in denen Geheimnisse abgrundtief versinken, meine Lektüre bewacht.
Vielleicht liest es in meinen Büchern aber auch den Unfug, mit denen fromme Gelehrte seine wahre Berufung vertuschen wollten. Die zeigte es doch einst ganz unverhüllt und nackt in seinem Attribut, dem Horn. Mit dem konnte das Tier zustoßen und die letzten Schleier zerreißen, um mit aufgestellten Ohren und geblähten Nüstern zu beobachten, wie das Opfer im Lustschrei den kleinen Tod erlitt. Nachher hingen Blutbeeren an seinem Horn, und der Verlust, den das Opfer erlitten hatte, war nicht wieder rückgängig zu machen.
Die eindeutigen Absichten des Einhornes wurden in den Kirchenscharteken kaschiert, als der Weihrauch der Marien-Symbolikaufwölkte.
Es stimmte doch allein, dass der Kopf des Einhorns mit seiner Waffe in den Schoß auch dieser Jungfrau drängte. Alles andere wurde verbrämte Anekdote, zweckbestimmt umgedeutet, wobei Christus schließlich wieder aus dem Spiel genommen wurde. Die Erotik des Einhorns musste von der christlichen Kirche aus der Welt geschafft werden. Schließlich durfte das von Maria gezähmte Tier der Himmelkönigin nur noch wie ein Schoßhund die Pfote reichen. Ein derart bekehrtes, entschärftes, harmloses Einhorn durfte das Volk behalten, die dem Tier zuvor so gerne auflauern wollten in finsteren Wäldern und dunklen Verstecken. Aber da sie es nie hatten finden und erlegen können, war die Jagd schließlich nicht mehr lustig und man gab sie ganz auf. Es ging ja auch nicht mehr um das stolze und wilde Einhorn von einst.
Die Kraft seines Attributes übernahmen fortan andere Geschöpfe, die sich viel skandalöser austobten. Das Einhorn zog sich leider nicht in die nach ihm benannte Höhle in Herzberg am Harz zurück, wo verträumte Touristen noch immer vergeblich nach seinen Relikten suchen. Es verkroch sich schließlich für immer in harmlose Kindermärchen und in die Stopfwolle von Plüschtieren.

(aus: Jürgen Schwalm: Wort und Bild und Kunst und Leben, Seemann-Verlag 2021) 
 
 
 
 

Freitag, 22. Dezember 2023

Die Fabel vom Einhorn

Gebetbuch Jakobs IV von Schottland und seiner Gemahlin Margaret Tudor / Wappen König Jakobs IV von Schottland. Foto aus Hans Schöpf "Fabeltiere", Akademische Druck- u. Verlagsanstalt Graz / Austria 1988. - Das Wappen Jakobs IV wird von zwei Einhörnern getragen, deren Hörner Narwal-Zähnen nachgebildet sind.

"Geschenkdose mit dem Einhorn" aus Limoges-Porzellan, hergestellt für den Valentinstag (14. Februar) 1983 von der Sammlerartikel-Firma Franklin Mint, Exton / Pennsylvania.- Sammlung: Jürgen Schwalm

 

Statt eines

Weihnachtsmärchens

der Bericht von einem Tier, das es nie gab:

Die Fabel vom Einhorn

Mit meiner Freundin, der Malerin und Grafikerin Eva Schwieger-von Alten habe ich mich viel über die Bedeutung des Einhorns in (christlichen) Legenden und Erzählungen unterhalten; und vor vierzig Jahren hat sie für mich Exlibris gestaltet, auf denen der Kopf eines pferdeähnlichen Einhorns zu sehen ist, um dessen -einem Narwal-Zahn nachempfundenen – Horn sich eine Äskulapschlange windet.

In seinem „Kreuterbuch“ von 1679, in dem auch die „fürnehmsten vierfüßigen Thiere der Erden“ abgehandelt wurden, gibt Adamus Lonicerus eine ausführliche Beschreibung des Einhorns, die wir hier auszugsweise wiedergeben:

…“Hat den Namen von dem einsamen einzigen Horn/so an seiner Stirn wächst. Ist einöd wild Thier/in den wüsten wilden Wäldern in India  /mit der Gestalt des Leibs einem Pferd gleich/am Kopff gestalt wie ein Hirtz (Hirsch)/am Halß hat es eine lange gelbe Haar/wie ein Roßkam/Füß wie ein Elephant/sein Schwantz ist wie an einem wilden Schwein/mitten aus der Stirn wächst ihm ein starck Horn/ ganz spitzig zwo Elen lang/hat eine brüllende Stimm/die Haar seines Leibes seynt gelb. Dieses Thier wird nicht lebendig gefangen/sondern wenn es mit dem Löwen streitet/so stellet der Löw sich wieder einen Baum/als dann laufft das Einhorn mit vollem Lauff zum Löwen zu /und vermeinet ihn mit dem Horn umzubringen/so weicht ihm der Löwe/und bleibt das Einhorn mit seinem Horn in dem Baum stecken/und wird also von dem Löwen umgebracht…Es trägt sonderliche Lieb und Wolgefallen zu den Jungfrauen und Weibspersonen/daß es sich zu ihnen gesellt/wo es sie siehet/und Zahm bey ihnen gehet/ruhet und entschläfft./Sein Horn wird zur Arzney hoch gepreiset/Dieses Horn wird sehr verfälscht mit andern gebrandtem Horn und Beinen/Ist ein köstlich Arzney wider alles Gifft/und auch wider gifftige Biß der wütende Hund. Item wider die schwerfallende Kranckheit./

Obwohl das Einhorn Plinius, Aelianus, Aristoteles, Ludovicus, Romanus, Paulus und Nicolaus von Venedig/und viel andere mehr beschrieben/stimmen doch ihrer wenig dergestalt überein/derowegen von Herr D. Ulysse Aldrovando in seinem Buch/von den vierfüßigen Thieren mit ungespaltenen Klauen…nicht unbillich gezweifelt wird/ob jemals ein Einhorn in der Welt gewesen sey/und ob wol hie und dort/dergleichen Hörner aufenthalten und gezeiget werden/so will doch solches alles dem Aldrovando, als welchem ich hierinnen beyfalle/seinen Zweifel nicht benemen/dieweil nemlich solcher Hörner keins dem andern weder an Gestalt/noch auch der Größe im geringsten gleich/und wird unter allen die davon geschrieben/schwerlich ein einziger gefunden/der solches Thier selbst gesehen/oder da er es schon  vorgibt/mit den anderen übereinstimme.“

Über die symbolische Bedeutung des Einhorns schreibt Hans Schöpf in seinem Buch „Fabeltiere“:

„Neben den bekanntesten und beliebtesten symbolischen Tieren wie zum Beispiel Phönix, Adler, Pelikan und Löwe nimmt das Einhorn eine wichtige, man kann fast behaupten, vorrangige Stellung ein…

Besondere Bedeutung kommt dem Einhorn in der christlichen Symbolik und Mystik  zu. Im guten Sinne bedeutet es das Kreuz Christi, wie Justinus und Tertullian immer wieder betonen. Die meisten Kirchenväter aber bringen das Einhorn in Zusammenhang mit Christus selbst, wobei das Horn stets Ausgangs- und Anknüpfungspunkt ihrer Deutung bildet. .. Der Hinweis mag genügen, dass das eine Horn bald die Macht Christi, bald seine Unbesiegbarkeit, bald die Tatsache, dass er der eingeborene Sohn Gottes ist, symbolisiert. Wichtig ist hingegen die Darstellung und Interpretation des Tieres im Physiologus: Das Einhorn kann wegen seiner Kraft und Unbezähmbarkeit vom Jäger nicht gefangen werden, sondern lässt sich nur durch eine reine Jungfrau, der es sich zutraulich nähert, zähmen. Dieses Tier symbolisiert Christus, den Unbesiegbaren, der in den Schoß der reinen Jungfrau kam…Außer für Christus war das Einhorn auch noch positives Sinnbild für die Patriarchen, Propheten, Apostel und schließlich die Gläubigen, weil sie ihre Stärke von dem Gott haben und an diesen einen Gott glauben…Als Sinnbild der Reinheit, Keuschheit und Jungfräulichkeit wurde das Einhorn auch zu einem Mariensymbol. So begegnen uns in der christlichen Kunst immer wieder Mariendarstellungen mit dem Einhorn im Schoß, die auf die unbefleckte Empfängnis des Gottessohnes durch Maria hindeuten…Das Einhorn, das bei vielen Völkern bekannt ist, wird dort auch als Symbol der Kraft und Stärke gedeutet. Sein Horn ist auch ein phallisches Symbol, weil es jedoch der Stirn, dem „Sitz“ des Geistes entspringt, ist es zugleich auch ein Symbol  der Sublimation sexueller Kräfte…Einerseits war das Einhorn ein mythisches Tier, dem man natürlich alle möglichen Verhaltensweisen und Eigenschaften beiliegen konnte, andererseits forderte das einzelne Horn zum Suchen von Analogien anderer „Einzigartigkeit“ heraus, wobei es keine Grenzen gab. Dennoch wirkte die Fabel des Physiologus am meisten nach und zwar besonders im profanen Bericht des Spätmittelalters, wie eine Vielzahl von Minneallegorien im Gewande der Einhornsymbolik beweist.“

Ein schönes Bild der Einhornjagd, in der die gesamte christliche Symbolik dargestellt wird, ist im Lübecker Dom zu sehen. Der Bildschnitzer des mittelalterlichen Altaraufsatzes von 1506 ist unbekannt. Die gleichnishafte Szene ist eine Umsetzung der biblischen Verkündigungsszene nach Lukas. Der dargestellte Jäger soll der Engel Gabriel sein, der ein Einhorn in den Schoß Mariens treibt und damit die Rolle Mariens an der Menschenwerdung Christi anzeigt.   

(wird fortgesetzt)                                                                                   Jürgen Schwalm 

 

 

 

 

          

 

Freitag, 15. Dezember 2023

Wilhelm Meisters Wanderjahre

Jürgen Schwalm: "Der durch seinen Erfolg verwöhnte Dichter", Hinterglastechnik


Zitate aus
Johann Wolfgang von Goethe
Wilhelm Meisters Wanderjahre

Bei der Lektüre von "Wilhelm Meisters Wanderjahren" entdeckte ich zwei Zitate, in denen ich  - wie immer in solchen Situationen etwas erschrocken - eigene Charakterzüge sehr exakt wiedergegeben fand, nämlich:

1.     
Der Mensch hat eine eigene Lust, Proselyten (=Neubekehrte) zu machen, Dasjenige, was er an sich schätzt, auch außer sich, in Anderen, zur Erscheinung zu bringen, sie genießen zu lassen, was er selbst genießt, und sich in ihnen wiederzufinden und darzustellen. Fürwahr, wenn dies auch Egoismus ist, so ist er der liebenswürdigste und lobenswürdigste, derjenige, der uns zu Menschen gemacht hat und uns als Menschen erhält.

2.
Wie aber den Frauen der Augenblick, wo ihre bisher unbestrittene Schönheit zweifelhaft werden will, höchst peinlich ist, so wird den Männern in gewissen Jahren, obgleich noch in völligem Vigor (=Lebens-Kraft), das leiseste Gefühl einer unzulänglichen Kraft äußerst unangenehm, ja gewissermaßen ängstlich.
 
Jürgen Schwalm

                                                                                                               
 
 
 
 
 
 

Freitag, 8. Dezember 2023

Hinterglasbild

St. Georg, Hinterglasbild von Franz Geier (Frauenau / Bayerischer Wald).- Gekauft in Bodenmais /Bayerischer Wald, Juli 1970.- Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm.- St. Georg (= St. Jürgen) gehört wie die in meinem Gedicht "Hinterglasbild" erwähnten Heiligen Barbara, Katharina und Margareta zu den 14 Nothelfern der katholischen Kirche ( es folgt hier die Gesamtliste der 14 Nothelfer: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christopherus, Cyriakus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon, Vitus).Die "drei heiligen Madl" Barbara, Katharina und Margareta wurden in meiner Jugend im südlichen Deutschland noch sehr verehrt. Die "Virgines capitales"(= die wichtigen Jungfrauen) und ihre Attribute konnte man sich mit folgendem Merkspruch einprägen: "Margareta (Gretel) mit dem Wurm, Barbara (Bärbel) mit dem Turm, Katharina (Kathi) mit dem Radl, das sind die heiligen drei Madl"

 

Jürgen Schwalm


Hinterglasbild


Die heilige Bärbel
macht ein Gesicht wie Zuckerbrot;
man möchte noch Powidl aufstreichen,
so herzig schmeckt sie zu allen Tagesgebeten.
Zwei weitere fromme Madel,
nämlich Kathi mit dem Radel
und Gretel mit dem Wurm,
bringen der Bärbel Kirschenzweige mit keuschem Seifenduft.
Obacht mit der Tugend,
wegen ihrer Jugend
wartet überall das Verderben.
Drei leichte Stöße
und es zerklirren die Schöße,
fallen Kathi und Gretel und Bärben
in nicht zu kittende Scherben.


(aus: Jürgen Schwalm, Farbwechsel, 1982) 







Freitag, 1. Dezember 2023

Der Heilige Nikolaus

Der Heilige Nikolaus, Silber-Oklad einer russischen Ikone aus der 2. Hälfte des 19. Jh. - Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

 

Am 6. Dezember ist der Festtag des Heiligen Nikolaus von Myra (von Bari). Im Reclam Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten wird über Nikolaus u. a. berichtet:

Als Bischof von Myra in Lykien (Kleinasien) stirbt er um 350. Ein zerbrochener Sarkophag wird noch heute in der wiederhergestellten Unterkirche von Myra (= heute Demre) von Wallfahrern der östlichen Kirche verehrt. Die 1087 von Piraten (Soldaten u.a. werden genannt) entwendeten Gebeine brachte man nach Bari und errichtete dort eine Grabkirche, in der weitere Verehrung stattfand. Legenden identifizieren ihn mit dem Abt Nikolaus von Sion (starb 564), da auch diesem fürsorgliche Mildtätigkeit nachgerühmt wurde. Über die byzantinische Tradition wird Nikolaus einer der am meisten verehrten Heiligen Russlands. Nördlich der Alpen setzt seine Verehrung mit bestimmenden Legendenbildern um 1000 ein…Die bekannteste und am meisten dargestellte Legende gibt ihm als einzelner Gestalt das Attribut von drei Goldkugeln; diese hat er drei armen oft schlafend im Bett liegenden Mädchen zugeworfen, die ihr Vater in ein Freudenhaus verkaufen wollte… Die besonders in der östlichen Kunst verbreitete Legende von der Errettung von drei Pilgern aus Seenot findet sich auch in der abendländischen Kunst, macht Nikolaus zum Patron der Schiffer und gibt ihm gelegentlich auch einen Anker als Attribut…

Eine Variante der Legende, wie Nikolaus den Sturm besänftigt, wird von Jacobus de Voragine in der Legenda aurea wie folgt erzählt:

Eines Tages befanden sich einige Seeleute in großer Not und beteten unter Tränen mit folgenden Worten: „Nikolaus, du Diener Gottes, wenn es wahr ist, was wir von Dir gehört haben, so wollen wir es jetzt selbst erfahren.“ Daraufhin erschien ihnen ein Mann, der so aussah wie Nikolaus, und sprach: „Seht her, ich bin da. Denn ihr habt mich gerufen.“ Und er fing an, ihnen bei der Arbeit an den Rahen und Tauen und der übrigen Ausrüstung des Schiffes zu helfen, und sofort ließ der Sturm nach. Als sie aber in seine Kirche gekommen waren, erkannten sie ihn, den sie niemals vorher gesehen hatten, ohne dass er ihnen von jemandem gezeigt wurde. Darauf dankten sie Gott und ihm selbst für ihre Rettung. Er aber lehrte sie, dies der Barmherzigkeit Gottes und ihrem Glauben, nicht seinem Eingreifen zuzuschreiben.

Sotten Sie, lieber Leser, es - wie ich - vorziehen, den lateinischen Urtext der Erzählung in der Legenda aurea zu studieren, bitte sehr, hier ist er:

Quadam autem die dum quidam nautae periclitarentur, ita cum lacrimis oraverunt: “Nicolae, famulae Dei, si vera sunt, quae de te audimus, nunc ea experiamur.“ Mox quidam in eius similitudinem apparuit dicens: „Ecce assum. Vocastis enim me.“ Et coepit eos in antennis et rudentibus aliisque iuvare navis armamentis, statimque cessavit tempestas. Cum autem ad eius ecclesiam venissent, quem numquam  ante viderant, sine indice cognoverunt. Tunc Deo  et sibi de liberatione gratias egerunt. Quod ille divinae misericordiae  et eorum fidei, non suis meritis attribuere docuit.        

 

 

 

 


 

Freitag, 24. November 2023

Ernest Hemingway

Pablo Picasso: Stierkampfszene.- Sammlung: Jürgen Schwalm

 

Jürgen Schwalm

 

Ernest Hemingway

 

Beim Toronto Daily Star

 lernt man wie im Stierkampf schreiben

Die Sätze laufen in die Arena

von den Lanzen der Picadores

gereizt und verletzt

in einen schnellen schönen Tod am Nachmittag

zur männlichen Stunde des Toreros

Wie wär’s mit uns, mein Darling

 

 

 

 

 

Donnerstag, 16. November 2023

Arbor Vitae

Theodor Schwalm: Waldlandschaft, Ölgemälde, undatiert (um 1920)

 

 

Jürgen Schwalm

 

ARBOR VITAE

DER LEBENS-BAUM

I

Jeden Morgen grüße ich

den alten Baum auf meinem Weg.

Er kennt das Lied meines Lebens

und singt es

hinter laubverhangenen Schläfen,

aus gelichteten Schatten.

II

Auf dem Seelenschiff

hisst der Mast des Lebens-Baums

die luftigen Segel.

Doch die Fahrt wird bald zu Ende gehen,

 weil das erste Blatt

 bereits auf meine Schulter fiel,

und das Zeichen setzte,

 an dem ich nun verwundbar bin.

Jeder Herbst

wirft jetzt den Speer.

III

Einer Buche gesungen,

die in eine blaue Stunde blutet.

 Ihr gekröntes Haupt

ragt aus einem geschlossenen Garten.

 Lehrreich verzweigt

deutet sie das Buch aller Bücher aus. 

Baut mir bei ihr ein Haus,

wenn ich tot bin,

damit ich Wurzeln schlagen kann,

wo ich schon immer wohnen wollte. 

 

 

 

 

Freitag, 10. November 2023

Waldhusener Herbst

Waldhusener Hünengrab. - Foto: Jürgen Schwalm, 2020

 

Jürgen Schwalm


Waldhusener Herbst


Ist das Blattgold verspielt,
wird der Weg
aus der Pfützenschale
in den Nebel geschüttet.
Die Stammwehr der Bäume
kann ihn auch nicht wiederfinden,
wenn in Hexenringen
Wassersuppe brodelt
und die Spinnen am Hünengrab
zwischen Moos und Fels
ihre Netze aufschlagen:
Tarnkappen für die Riesen
beim Steinzeitkult.

 

Das Pöppendorfer (Waldhusener) Großsteingrab (Ganggrab) ist eine jungsteinzeitliche Megalithanlage der Trichterbecherkultur und entstand zwischen 3500 und 2800 v. Chr.





Freitag, 3. November 2023

Weihevolles Wabern




Richard Wagner in Bayreuth: Prospekt der Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH 2020
 

 

Jürgen Schwalm

Weihevolles Wabern

Waren Sie schon in Bayreuth? Geh‘n Sie hin, mit Gattin, zu Wagner in die Musikfeldscheune. Da kann die Holde bereits am Nachmittag ihr Abendkleid tragen, ganz Kundry, mit der Höllenrose am Busen.

Wenn Sie sich vorher noch stärken wollen, denn Wagner dauert lange, essen Sie bloß nicht in der „Eule“, da sind die Schnitzel so versalzen, dass man nachher das ganze Huren-Aquarium der Rheintöchter aussaufen möchte. In der „Eule“ sind die Wände mit den vergilbten Blättern vom Kopfsalat der Wagner-Interpreten garniert. Sie hängen dort quer durchs Repertoire, von Urgroßvaters Zeiten an bis zur Götterdämmerung. Auch ihnen hat man wohl die Schnitzel versalzen, so böse schauen sie aus den Rahmen.

Die Sopranistin X hat darauf eine Frisur wie ein Erdwespennest und schleppt den gesamten Nibelungenhort am Halse. Der Kammersänger Y mit roter Säufernase trägt auf seinem weißen Haar ein großes Samtbarett und hat sich eine weite Pelerine umgeschlagen; seine ganze Garderobe scheint er sich von Richard geklaut zu haben: Ist er etwa in Wahnfried eingebrochen oder ausgebrochen? Andere Interpreten stehen so steif da, als hätten sie den Stabreim verschluckt.

Doch die reitenden Walküren wagen viel Bewegung, wenn ihre Steckenpferde über den Regenbogen nach Walhall wiehern. Aber auch sie: welche Visagen unter den hohen Helmen!

Besuchten Sie schon Bayreuth? Gehen Sie nur hin. Sie dürfen sich allerdings nicht die Zähne an den eingetrockneten Gralsbroten ausbeißen. Aber lassen Sie Ihre Gattin die Schwangerschaftssymptome in den Motiven der Sieglinde belauschen: sie wird die kindlichen Herztöne in den Triolen hören; herrlich, herrlich! Bald wird auf dem Hügel der Heiland geboren, Siegfried ist sein Name. Au weia, au weia, o Cosima meia!

(aus: Jürgen Schwalm „Wort und Bild und Kunst und Leben“ – Einfälle zu Vorfällen, Seemann Publishing, 2021)

 

 

 

 

 

Freitag, 27. Oktober 2023

Grabschrift

Bild - Reliquiar aus Carcassonne /Frankreich, 19. Jahrhundert, erworben am 28.7.1985. Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm.- Das Bild enthält u.a. Reliquien-Partikel von St. Paulus (Mitte), St. Felicitas, St. Juliana, St. Augustinus und St. Urban

 

In einem am 12. Oktober 2023 in den Lübecker Nachrichten publizierten Interview stellte die Redakteurin Petra Haase der Schriftstellerin Helga Schubert u.a. die Frage: „Sie sind Christin, glauben Sie an die Auferstehung und das ewige Leben?“ Helga Schubert antwortete: Ich glaube an eine ganz große Geborgenheit, in der wir alle leben werden.

Die Antwort erinnerte mich an meine 1976 geschriebene und im gleichen Jahr erstmals publizierte

 

GRABSCHRIFT

 

WEIL ICH STARB

VERLOR ICH MEINEN TRAUM

DEN TRAUM

DEN ICH LEBEN NANNTE /

ES WAR EINMAL EIN TRAUM

IN DEM DIE TAGE SCHWIEGEN

IN DEM DIE NÄCHTE RIEFEN/

ES WAR EINMAL EIN TRAUM

IN DEM MEIN LEBEN SCHLIEF

IN DEM MEIN TOD ERWACHTE/

ICH SCHRITT AUS MEINEM TRAUM:

JETZT SCHWEIGEN DIE NÄCHTE/

WAS MIR MEIN TRAUM VERWEHRTE

GAB MIR MEIN TOD:

RUHE

DIE ICH NUN LEBEN NENNE

 

       Jürgen Schwalm

 

 

 

 

Freitag, 20. Oktober 2023

Minos

Minoische Doppelaxt („Amazonenaxt“). In Griechenland verfertigtes Bronze-Imitat
nach Funden im Archäologischen Museum in Heraklion / Kreta. - Sammlung und Foto:
Jürgen Schwalm.
 

Die griechische Bezeichnung für die Doppelaxt, Labrys, steht in Verbindung mit dem
minoischen Labyrinth („Haus der Doppelaxt“). Zur Erläuterung das Folgende:
Ariadne war die Tochter des Königs Minos und seiner Gattin Pasiphae, die eine Tochter des
Sonnengottes Helios war. Auf Kreta galt Ariadne auch als Fruchtbarkeitsgöttin. Ariadne hatte
einen Halbbruder, den stierköpfigen Minotaurus, der einer Beziehung der Pasiphae mit
einem Stier entstammte. Der Minotaurus musste in dem auf Kreta von Dädalus erbauten
Labyrinth gefangen gehalten werden. Die Athener wurden dazu verpflichtet, alle neun Jahre
sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge als Menschenopfer für den Minotaurus nach Kreta
zu schicken. Als das Opfer zum dritten Mal fällig war, ließ sich der Königssohn Theseus in
die Gruppe der Verdammten einschleusen, um den Minotaurus zu töten. Ariadne verliebte
sich in Theseus und erklärte sich auf ein Eheversprechen bereit, Theseus dabei zu helfen.
Auf Dädalus‘ Anraten gab sie Theseus ein rotes Wollfadenknäuel ( „Faden der Ariadne“),
dessen Anfang er am Eingang des Labyrinths befestigte und mit dessen Hilfe er nach dem
für ihn erfolgreichen Kampf wieder aus dem Labyrinth herausfand.
Im minoischen Palast von Knossos fand man die Doppelaxt als Bemalung an Wänden und
Säulen; sie wurde auf Siegeln, Schmuck und Sarkophagen dargestellt. Sie diente
ursprünglich sicher als Werkzeug und Waffe, seit der frühen Bronzezeit, ab 2000 v. Chr.,
aber vorwiegend als Kultzeichen, vor allem der „großen Muttergottheit“, als Symbol der
göttlichen Macht, vor allem der weiblichen Gottheit, weil die Form der Doppelaxt an stilisierte
Vulva-Bilder erinnert.

Jürgen Schwalm


Jürgen Schwalm

 
Minos

Alle heiligen Labyrinthe
durchzieht der gleiche rote Faden
alle fernen Sagen
sind nahe Geständnisse
und der Stier der Leidenschaften
brüllt überall und immer
Jeder Traum verrät die Tat


(aus dem Zyklus: Griechische Zeilen)

 

 

 

 

 

Freitag, 13. Oktober 2023

Sekundensilben

Jürgen Schwalm: Der Gedankenflug, Collage, 2003

 

Ein Leser der Formulierung von den „Grabkammern unter plappernden Sphinxen“ in der letzten Eintragung auf meinem Blog fragte mich nach der Herkunft des Zitats. Deshalb sei hier nachgetragen, dass es nicht von Goethe stammt, wie der Leser vermutete, sondern aus meinem Gedicht Sekundensilben: 

 

Jürgen Schwalm

 

Sekundensilben

 

Abgelegte Worte

will ich gar nicht wiederfinden

Verstaubte Orakel

sollen weiterreisen

 Es warten viele Grabkammern

unter plappernden Sphinxen

auf die Mumien der Sentenzen

Mir genügen Sekundensilben

die in der Farbe meiner Träume stieben

Im Funkelglück

 lebt der Augenblick

 

 

 

 

Mittwoch, 4. Oktober 2023

Roter Faden gebunden

 

Allen Freundinnen und Freunden, die mir bei der Überwindung meiner schweren Erkrankung und Operation mit Rat und Tat hilfreich zur Seite standen, möchte ich auch an dieser Stelle herzlich danken. Übrigens bleibe ich  weiterhin meiner Einstellung treu, die da lautet:

 

Ich habe mich immer nur deswegen mit der Vergangenheit beschäftigt, um Wege in die Zukunft zu finden. Es ging mir nie um die Erforschung von "Grabkammern unter plappernden Sphinxen", sondern darum, das Leben begreifen zu können, wenn ich letztlich auch immer an dieser Aufgabe scheiterte. Es ging mir nie um den Tod, sondern immer um das Leben. Deshalb wurde ich auch Arzt.

 

 

 

 

Märchenerzählerin. Stahlstich von Heinrich Burkhart Lödel (1798-1861), Holzschneider, Kupferstecher, aus: "Kinder- und Hausmärchen", gesammelt durch die Brüder Grimm. Zweiter Band. Große Ausgabe. Siebente Auflage. Göttingen. Verlag der Dieterichschen Buchhandlung. 1857.  

 

 

Jürgen Schwalm


Roter Faden gebunden


Märchen verlegen die Handlung in eine unbestimmte Vergangenheit. In einer
Sammlung von 90 Märchen aus aller Welt beginnen 40 mit dem Zauberschlüssel, der
alle Paradiesespforten öffnet, nämlich mit ES WAR EINMAL (once upon a time there
was; il ètait une fois).
Es ist aber auch reizvoll, anderen Eingangsformeln zu lauschen, mit denen
Märchenbotschaften eröffnet werden: Es lebte einmal, niemand weiß mehr, wann es
gewesen ist...Vor langen, langen Jahren... Es ist schon lange, sehr lange her...Es
sind nun schon viele Jahre verflossen...Vor langer Zeit...Vor vielen Jahren...Es lebte
einst ...Vor Zeiten...Einst in alten Zeiten...-

Zu dem griechischen Märchen DER BARTLOSE werden wir auf besonders originelle
Art begrüßt und eingeladen: Roter Faden gebunden, um die Spule gewunden, gib ihr
den Stoß, dass sie sich drehe, und das Märchen vor sich gehe, und der Abend schön
vergehe. - Guten Abend von hinten bis vorn, mit allen drinnen und draußen…

Meist bleibt nicht nur die Zeit unbestimmt, sondern auch der Ort: Ein Schloss liegt
südlicher als Süden, nördlicher als Norden…

Zweifel an der Märchenhandlung äußert der Erzähler nur selten, und wenn derart
ketzerische Gedanken überhaupt auftauchen, werden sie sofort wieder
verabschiedet: Es war, es war nicht, aber was gibt es Besseres als Gott, also: es war
einmal...
Es war einmal, vielleicht war es auch nicht, aber meine Großmutter sagte: Es war
einmal...

Was aber unbestimmt ist, bleibt nie gebunden, auch nicht an die Vergangenheit. Da
raunt ein kluges Märchen: Wenn das so war, so war es oft und kommt auch wieder
vor...
Und in einem französischen Märchen heißt es: Es war einmal, es wird eines
Tages sein: und das ist von allen Märchen der Anfang. Es gibt kein Wenn und kein
Vielleicht; der Dreifuß hat unbestreitbar drei Füße...

Da wird uns als Gewissheit versprochen, dass sich Märchenwunder jederzeit wieder
ereignen können. Wer an Märchen glaubt, verliert nie die Hoffnung.
Märchen sollen vorgelesen, besser noch: nacherzählt und gehört werden. Es geht
um das Sprechen und nicht um das Selber-Lesen:
„Uns ist in alten maeren / wunders viel geseit (gesagt) / von heleden lorebaeren /
von grōzer arebeit / von freuden, hōchgeziten / von weinen und von klagen / von
kuener recken strĩten / muget ir nu wunder hoeren sagen“, beginnt das
Nibelungenlied. Es soll wie das überlieferte Märchen raunen, klingen und singen,
also Musik werden. Es geht um die Verzauberung durch die Interpretation:
Großmutter erzählt Märchen in der Abendstunde vorm Schlafengehen und die Kinder
lauschen.

Wer Märchen beschwört, muss magische Mittel einsetzen. Mit Formulierungen, die
den Intellekt wach kitzeln, sind derartige Wirkungen nicht zu erreichen. Deshalb
bedient sich das Volksmärchen einfacher Versatzstücke, schlichter Kulissen, die
immer wieder, wenn auch unterschiedlich kombiniert, verwendet werden können.
Magische Effekte erzielen die Wortwiederholungen, die in Formeln auslaufen, zu
Paternoster- Singsang und prosa-lyrischen Passagen, die in Reimereien verrinnen,
oft nur in kindlich plapperndem Wortsalat nach Art der Abzählsprüche, selten in
simplen Schlussfolgerungen oder Vergleichen vorzugsweise aus ländlich –
bäuerlichem Bereich, wie: Freude hier – Leid dort - Mehl hier - Kleie dort. 

Auch mit Zahlenzauber wird behext. Häufig ist es die Drei, diese christliche und
weltliche Trinität: Es waren einmal drei Brüder, drei Schwestern; drei Fragen müssen
beantwortet, drei Prüfungen bestanden werden. Oft ist es auch die Sieben: Sieben
Berge, sieben Zwerge.

Das Volksmärchen zeigt Konstellationen in Holzschnitt-Technik, es kennt nur Gut
und Böse, weiß noch nichts von psychologischen Motivationen. Ihm liegt nichts
daran, Hintergründe zu analysieren. Mit dem Intellekt kann animalischer Trost nicht
gewährt werden. Es geht im Märchen aber immer darum, dass das Gute am Schluss
siegt. Der Märchenschluss hat stets Neuanfang zu sein für eine bessere Existenz, im
Märchen Glück genannt.


(aus: Jürgen Schwalm: Wort und Bild und Kunst und Leben, Einfälle zu Vorfällen,
Seemann Publishing, 2021)

 

 

Montag, 4. September 2023

Es geht voran

Bläuling - Foto: Hannah Huber

 

Liebe Freunde und Leser dieses Blogs,

vielleicht wundert es Sie, dass nach dem 11. August dieses Jahres weitere Blog-Einträge ausblieben. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass unser gemeinsamer Freund Jürgen Schwalm sich nach für ihn sehr schwierigen Tagen noch immer im Krankenhaus befindet. Die Entwicklung der letzten Tage lässt jedoch auf fortschreitende Genesung hoffen; mit anderen Worten: "Es geht voran"!

Die regelmäßigen Blog-Ergänzungen werden also - bestenfalls -  in absehbarer Zeit fortgesetzt werden.

Wünschen wir unserem geschätzten Freund alles Gute und baldige Genesung!

Hannah Huber

 

Freitag, 11. August 2023

Eine Rarität in meiner Fossilien-Sammlung


 

Graptolithen (Graptolithenschiefer) aus dem Silur . Fundort: Umgebung von Beraun / Böhmen um 1900. Fossiliensammlung: Jürgen Schwalm.

Die Graptolithen sind eine ausgestorbene Klasse polypenähnlicher, koloniebildender Tiere, die gemeinhin bei den Kiemenlochtieren = Hemichordata eingeordnet werden. Fossil überliefert sind nur die Wohnröhren, die einen Kammeraufbau haben.

Nach der Entdeckung von Cephalodiscus graptolithoides, einem Pterobranchen = Flügelkiemer, der bei Neukaledonien in großer Tiefe gefunden wurde, sind andere Wissenschaftler der Auffassung, dass die Grapolithen bei den Pterobranchen eingeordnet werden müssen, da die fossilierbaren Teile von Cephalodiscus graptolithoides mit denen der Graptolithen übereinstimmen.

Die Lebensweise der Graptolithen war zu Beginn der Stammesgeschichte sessil, im Verlauf der Evolution entwickelten sich pelagische Formen mit Schwimmkörpern. Die Bauweise der Graptolithen erfolgte entlang einer oder mehrerer Achsen. Je nachdem, ob die Wohnkammern = Theken entlang der Achsen einreihig oder mehrreihig angeordnet waren, wurden Monograptiden ( = eine Reihe), Diplograptiden ( = zwei Reihen) oder Phyllograptiden ( = vier Reihen) unterschieden. Die Kolonien hatten eine oder mehrere Achsen mit geraden oder gebogenen Wuchsformen.

Das Strukturprotein ( = Skleroprotein = Gerüsteiweiß) ist das Graptin, das dem Chitin ähnelt.

Wegen der zeitlich raschen Entwicklung der Klasse, ihrer weiten Verbreitung und den makroskopisch leicht erkennbaren Fossilien sind die Graptolithen Leitfossilien vom Oberkambrium bis ins Unterdevon, sind aber schon ab dem mittleren Kambrium und darüber hinaus bis zum unteren Karbon nachgewiesen.

 Zur Systematik: Graptolithen sind Metazoa = vielzellige Tiere, Eumetazoa = Gewebetiere, Deuterostomia = Neumünder, Hemichordata = Kiemenlochtiere bzw. nach heutiger Auffassung Pterobranchen = Flügelkiemer.

Die Namengebung Graptolithina erfolgte 1849 durch Heinrich Georg Bronn (1800-1862).

Die Graptolithen werden in sechs Ordnungen unterteilt: Dendroidea, Tuboidea, Camaroidea, Stolonoidea, Crustoidea, Graptoloidea.    

 

 

 

 

 

 

Freitag, 4. August 2023

Das Missveständnis

Heinz Egger (geb. 1937): "Der Gaucho mit seiner Rinderherde", Illustration zur Novelle von Klaus Merz (geb. 1945): Der Argentinier.- Foto: Jürgen Schwalm

 

 

Das Missverständnis

Als wir mit unserer gerade fünf Jahre gewordenen Tochter in Altenau /Harz Urlaub machten, überraschte sie mich, indem sie mit wichtiger Mine verkündete, Altenau sei „voller Mutanten“. Ich staunte zunächst, dass ein so kleines Mädchen ein derartiges gelehrtes Substantiv gebauchte, und überlegte, welche degenerativen Absonderlichkeiten sie vielleicht beobachtet haben könnte, dann fragte ich aber doch noch einmal genauer nach. Und siehe da: Mein Töchterchen skandierte das Wort noch einmal für den törichten Vater ganz genau: „Muh-Tanten“- wegen der vielen Kühe auf der Wiese neben unserer Pension!

                                                                                                           Jürgen Schwalm