Samstag, 28. September 2019

Sonnenblume

Sonnenblume. Foto: Jürgen Schwalm, 2019



Jürgen Schwalm


Sonnenblume

Hier ist der Wächter,
der zyklopenäugig
den erbarmungslosen Himmel
mit gelben Zungen verbellt.
Schlägt die Sonne zurück,
fällt auch dieser Aufrechte
in seiner Verblendung.


(Aus dem Zyklus: Der Blütengarten)






Freitag, 20. September 2019

AVE EVA AVE

Jürgen Schwalm: Blühender Garten, Hinterglasmalerei, 2019

Jürgen Schwalm


AVE EVA AVE
In memoriam Eva Schwieger-von Alten

Dein Farbengarten sprengte jeden Rahmen

Du serviertest mir die Amselrufe schon zum Frühstück
legtest den Eichenschatten über den Mittagstisch
und schmücktest den Abend mit Sternblumen

Fruchtbar mehrte sich hier alles

Trink mich
rief das ungezähmte Grün

Ich wollte bei dir das Himmelblau
auf Flaschen ziehn für meinen Herzenswinter
und alle Wolken wie Tücher einsammeln
um dir damit zuwinken zu können

Du kannst aus deinem Namen
für immer meinen Gruß lesen:
AVE EVA AVE













Freitag, 13. September 2019

"Morgennatz und Ringelstern"

Christian Morgenstern: Fisches Nachtgesang. - Plakat: Jürgen Schwalm



Donnerstag, d. 19. September 2019, 19.30 Uhr
Bildersaal der Gemeinnützigen
Königstraße 5, 23552 Lübeck

Jutta Kähler, Jürgen Schwalm:
„Morgennatz und Ringelstern“
Ein Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa
von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern

Morgennatz und Ringelstern - - Warum vertauschen wir in der Ankündigung die Silben der Namen der Dichter Morgenstern und Ringelnatz? Die drollige Namensverknüpfung erscheint uns gerechtfertigt, weil sich beide in den Gedichten, die wir heute vortragen werden, bei allen Unterschieden doch frappierend nahe kommen.
Beide Autoren setzten ihre Fähigkeit ein, die verrückte Welt, die uns umgibt, skrupellos und bis zur letzten Konsequenz so zu hinterfragen, dass der Leser/Hörer kopfschüttelnd jeden Widerstand aufgibt und schließlich nachdenklich geworden und gleichzeitig wie „ein satter Säugling zufrieden lächelnd“ (Morgenstern) an ihren Höhenflügen teilnimmt.
Es sind die nicht auszurottenden und sich wiederholenden Rechenfehler des täglichen Lebens und der Welt, die beide Dichter zu ihren Eskapaden verführten. Der Unsinn, der überall hinter dem Gerümpel der Realität hockt und hervorgrinst, wird aufgedeckt und in verzwickten Aktionen mit erfindungsreicher Akribie und sprachlicher Akrobatik bespiegelt. Da gibt es durchaus Experimente, die an den Dadaismus und an die MERZ-Kunst Kurt Schwitters erinnern. Nach den Manipulationen von Ringelnatz und Morgenstern steht hinterher nichts mehr an ursprünglicher Stelle, alles ist verschoben und neu verschraubt worden. Beide Autoren agieren so plausibel und suggestiv, dass auch der Leser Gefahr läuft und es sogar zulässt, dass seine Sichtweise ver-rückt wird. Vorsicht, meine Damen und Herren, Sie könnten zur Auffassung gelangen, dass die Verse, die Morgenstern und Ringelnatz verknitteln, offenbaren sollen, dass es der Unsinn ist, der sich als der eigentliche Sinn der Realität erweist.
Jürgen Schwalm




Samstag, 7. September 2019

Kypris

Jürgen Schwalm: “Meeres-Frucht”, Hinterglasmalerei, 2019

Jürgen Schwalm

Kypris

Kondensstreifen am Himmel:
Jet-Set-Zickzackschrift moderner Götter

Wo einst
in der Schmiede des Lichts
die Strahlen gehärtet wurden,
die Funken sprühten,
Feuer und Wasser sich vereinten,
in der Esse des Windes
das Metall geschmolzen wurde
zu Zentnersäulen der Kraft
für die Glieder der Kypris,
entsteigt jetzt dem dauergewellten Meer
eine Bikini-Schönheit
in blondgebleichter Pose
und zeigt ihr langes Spielbein
den gefräßigen Strandräubern

(aus: Griechische Zeilen)