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Jürgen Schwalm: „Skarabäus“,
Hinterglasmalerei, 2019.
Im alten Ägypten war der Glückskäfer die
Verkörperung der Gottheit Chepre, die den Sonnenaufgang und die Morgensonne
symbolisiert.
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Samstag, 18. April 2020
Anmerkung eines alten Dermatologen
Freitag, 10. April 2020
"Da sitzt der Hase im Grase"
Samstag, 4. April 2020
Fensterkreuze
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Jürgen Schwalm: “Schwarzes Kreuz vor blauem Himmel”, Fotostudie nach einem Azulejo-Motiv aus Funchal/Madeira, 2016 |
Jürgen Schwalm
Fensterkreuze
Fensterkreuze
Blicken wir durch das geschlossene Fenster, kann das Fensterkreuz dem Passionskreuz gleichen, das sich auf den Himmel projiziert. Deshalb sollten wir gerade in Notzeiten die Fenster weit öffnen, um den Anblick des Himmels - von der ermahnenden Trauersymbolik befreit - unverstellt genießen zu können.
Denn nicht Karfreitag ist das größere Fest, sondern Ostern ist die Pointe (A. Kolb).
Denn nicht Karfreitag ist das größere Fest, sondern Ostern ist die Pointe (A. Kolb).
(aus: Vernissage, Bilder einer Ausstellung)
Freitag, 27. März 2020
Die Verpuppung
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Jürgen Schwalm: “Papillon und Pusteblume”, Fotostudie, 2016 |
Jürgen Schwalm
Die Verpuppung
Die Corona-Krise verwandelt die Menschheit zu Insekten.
Nach Ansammlung von Vorräten zum Nahrungsbedarf und zur Beseitigung der
Stoffwechselprodukte wird die Menschheit wie die Kerbtiere der Metamorphose
unterzogen.
Augenblicklich
befindet sich die Menschheit im Stadium der Verpuppung. Jeder wartet, tief im
Kokon, dass eines Tages die isolierende Hülle aufreißt und dass er unbeschädigt
schlüpfen kann. Ich glaube aber nicht, dass dann nur hübsche, bunte, harmlose
Schmetterlinge ihre Flügel entfalten werden, um in eine sonnige Zukunft zu
flattern.
Freitag, 20. März 2020
Das Mirakel
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"Jürgen Schwalm: “Dieser Engel mausert sich”, Assemblage, 2016" |
Jürgen Schwalm
Das Mirakel
Als ein Engel beim Tedeum
mit den Flügeln schlug, verlor er eine bunte Feder. Hochwürden entdeckte sie
vorm Altar. Er rief: „O Wunder über Wunder!“ und schickte sie nach Rom zum
Heiligen Vater.
Hochwürden
war längst alt und grau, und zwei Päpste waren mittlerweile verschieden, als er
endlich Antwortpost vom Vatikan erhielt. Der Brief war lang, wie sich denken
lässt. Hochwürden benötigte viel Zeit, um ihn zu lesen.
Die
Schlusssentenz des Briefes lautete: „Es steht fest, dass Engel sich nicht
mausern können. Infolgedessen kann die zugesandte Feder weder ein Engel der
unteren Rangstufe verloren haben noch ein Seraph oder Cherub aus der oberen
Hierarchie der himmlischen Heerscharen. – Die Feder stammt vielmehr von einem
Paradiesvogel.“
Hochwürden
aber dachte: „Ei, sieh da! Selbst wenn mein Engel aus kirchlicher Sicht nur ein
Vogel gewesen sein soll, so kam er doch aus Himmelshöhen vom Paradies
herabgeflogen; hieße er sonst wohl Paradiesvogel?“
Mit
dieser Auslegung konnte der Vorgang beim Tedeum für Hochwürden ein himmlisches
Mirakel bleiben. Unsere oberen Seelenrichter gönnen uns eben die Wunder nicht,
die wir sehen, und sie erkennen die wahren Engel unter den Menschen nie.
(aus: Der Lebens-Baum, Betrachtungen, 2005)
Samstag, 14. März 2020
Engel und Teufel
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Jürgen Schwalm:
Das Koordinatensystem der Hölle,
Fotostudie, 2016
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Jürgen Schwalm
Engel und Teufel
Längst müssen die Teufel den Engeln ihre Attribute
abgegaunert und die Pferdefüße gegen die
Flügel umgetauscht haben. Sonst wäre es nicht möglich, dass die Teufel in Windeseile alle Zonen überfliegen können,
die die Engel im Hinkeschritt nie
erreichen, mögen sie auch noch so laut „Halleluja“ rufen.
(aus: Der Lebens-Baum
– Betrachtungen)
Freitag, 6. März 2020
Vortrag über den Roman "Jahrestage" von Uwe Johnson am 03.03.2020
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Jürgen
Schwalm: Lübeck, Marienkirche und Dom,
Hinterglasmalerei,
2019
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Am 3. März 2020 hielt Prof. Dr. Roland Berbig (Berlin) in der Lübecker Gemeinnützigen Gesellschaft einen Vortrag über den Roman „Jahrestage“ von Uwe Johnson. In der Begrüßungsrede führte Dr. Jürgen Schwalm u.a. aus:
…ich freue mich, für den Lübecker Autorenkreis, dem ich als wohl ältestes aktives Urgestein angehöre, als Referenten des heutigen Dienstagsvortrags Herrn Professor Berbig, begrüßen zu dürfen. Dabei möchte ich nicht die Gelegenheit verpassen, darauf hinzuweisen, dass die im Revolutionsjahr 1789 gegründete Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit –so ihre offizielle Bezeichnung- die erste Gesellschaft war, in der von Anfang an regelmäßige Veranstaltungen und Gespräche zu und über literarische Themen stattfanden. Und der altehrwürdige Saal, in dem wir heute sitzen, ist längst auch in der Weltliteratur verankert. Im Roman „Doktor Faustus“ hat Thomas Mann den Saal zwar nach Kaisersaschern verpflanzt, aber Kaisersaschern bleibt Lübeck; und hier durfte im Roman zum Beispiel der Musikwissenschaftler mit dem hübschen Namen Wendel Kretzschmar der Frage nachgehen, warum Beethoven für seine Klaviersonate Op. 111 keinen Schlusssatz komponiert hat. Ich empfehle durchaus, diese Passage, wo wir heuer das Beethovenjahr feiern, noch einmal nachzulesen.
Heute geht es aber nicht um ein musikwissenschaftliches Thema, sondern um Literatur, nämlich um einen Autor meiner Generation, um Uwe Johnson und seine Gesine Cresspahl, oder besser ausgedrückt, um Roland Berbig und seine Gesine Cresspahl...
Über Uwe Johnson hat Roland Berbig zwei wichtige Publikationen herausgegeben, darunter den Band „Wo ich her bin“, Uwe Johnson in der DDR, Berlin 1993.
Dieser mit Erdmut Wizisla herausgegebene Sammelband wurde in der ZEIT von Rolf Michaelis ausführlich rezensiert, wobei auch die Stellungnahmen von Günter Grass zitiert werden, der sein Verhältnis zu Johnson mit den Worten definierte: „Distanz, heftige Nähe, Fremdwerden und Fremdbleiben“ und:„Johnsons Schreibweise war für die ostdeutsche Leserschaft konzipiert. Dieses Publikum war in der Lage, verdeckte Anspielungen zu verstehen. Eine ganze Generation ist in der DDR um einen wichtigen Autor betrogen worden – zur Kenntnis und zum Verständnis des eigenen Landes“.-
Meine Generation hat sich seit den 60ger Jahren mit der Lektüre der Werke Johnsons beschäftigt. Viel ist über ihn publiziert und viel auch über ihn gemutmaßt worden, um den Titel der ersten Publikation Johnsons zu parodieren (Mutmaßungen über Jakob). Wie ist das aber heute? Ich habe vor einer Woche, exakt am 24. Februar, in der größten Lübecker Buchhandlung nachgefragt und die deprimierende Antwort erhalten, dass dort kein einziges Werk von oder über Johnson vorrätig ist…
Nach dem Vortrag von Roland Berbig sagte Jürgen Schwalm: Vielen Dank, lieber Roland Berbig. Das war ein temperamentvoller, engagierter Vortrag, von profunder Kenntnis der Materie getragen und von –so möchte ich es formulieren- musikalisch beschwingtem Aufbau. Sie haben uns an der Schöpfungsgeschichte des Romans „Jahrestage“ teilnehmen lassen….Dieser Roman ist eine umfassende Zeitchronik, in der Gestaltung wesentlich moderner und gewagter als der erwähnte Roman „Doktor Faustus“ von Thomas Mann…
…ich freue mich, für den Lübecker Autorenkreis, dem ich als wohl ältestes aktives Urgestein angehöre, als Referenten des heutigen Dienstagsvortrags Herrn Professor Berbig, begrüßen zu dürfen. Dabei möchte ich nicht die Gelegenheit verpassen, darauf hinzuweisen, dass die im Revolutionsjahr 1789 gegründete Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit –so ihre offizielle Bezeichnung- die erste Gesellschaft war, in der von Anfang an regelmäßige Veranstaltungen und Gespräche zu und über literarische Themen stattfanden. Und der altehrwürdige Saal, in dem wir heute sitzen, ist längst auch in der Weltliteratur verankert. Im Roman „Doktor Faustus“ hat Thomas Mann den Saal zwar nach Kaisersaschern verpflanzt, aber Kaisersaschern bleibt Lübeck; und hier durfte im Roman zum Beispiel der Musikwissenschaftler mit dem hübschen Namen Wendel Kretzschmar der Frage nachgehen, warum Beethoven für seine Klaviersonate Op. 111 keinen Schlusssatz komponiert hat. Ich empfehle durchaus, diese Passage, wo wir heuer das Beethovenjahr feiern, noch einmal nachzulesen.
Heute geht es aber nicht um ein musikwissenschaftliches Thema, sondern um Literatur, nämlich um einen Autor meiner Generation, um Uwe Johnson und seine Gesine Cresspahl, oder besser ausgedrückt, um Roland Berbig und seine Gesine Cresspahl...
Über Uwe Johnson hat Roland Berbig zwei wichtige Publikationen herausgegeben, darunter den Band „Wo ich her bin“, Uwe Johnson in der DDR, Berlin 1993.
Dieser mit Erdmut Wizisla herausgegebene Sammelband wurde in der ZEIT von Rolf Michaelis ausführlich rezensiert, wobei auch die Stellungnahmen von Günter Grass zitiert werden, der sein Verhältnis zu Johnson mit den Worten definierte: „Distanz, heftige Nähe, Fremdwerden und Fremdbleiben“ und:„Johnsons Schreibweise war für die ostdeutsche Leserschaft konzipiert. Dieses Publikum war in der Lage, verdeckte Anspielungen zu verstehen. Eine ganze Generation ist in der DDR um einen wichtigen Autor betrogen worden – zur Kenntnis und zum Verständnis des eigenen Landes“.-
Meine Generation hat sich seit den 60ger Jahren mit der Lektüre der Werke Johnsons beschäftigt. Viel ist über ihn publiziert und viel auch über ihn gemutmaßt worden, um den Titel der ersten Publikation Johnsons zu parodieren (Mutmaßungen über Jakob). Wie ist das aber heute? Ich habe vor einer Woche, exakt am 24. Februar, in der größten Lübecker Buchhandlung nachgefragt und die deprimierende Antwort erhalten, dass dort kein einziges Werk von oder über Johnson vorrätig ist…
Nach dem Vortrag von Roland Berbig sagte Jürgen Schwalm: Vielen Dank, lieber Roland Berbig. Das war ein temperamentvoller, engagierter Vortrag, von profunder Kenntnis der Materie getragen und von –so möchte ich es formulieren- musikalisch beschwingtem Aufbau. Sie haben uns an der Schöpfungsgeschichte des Romans „Jahrestage“ teilnehmen lassen….Dieser Roman ist eine umfassende Zeitchronik, in der Gestaltung wesentlich moderner und gewagter als der erwähnte Roman „Doktor Faustus“ von Thomas Mann…
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