Freitag, 17. März 2023

Wien

Marillenknödel (aufgeschnitten). - Die Aprikosen der österreichischen Wachau, Marillen genannt, sind besonders geschmacksintensiv und werden u.a. zu einer vorzüglichen Konfitüre verarbeitet, die - seitdem ich in Österreich gelebt habe - nach wie vor meine Lieblingsmarmelade geblieben ist. Dort hergestellter Marillen-Brand und und  -Likör sind sehr begehrt. Für die Zubereitung von Marillenknödeln gibt es eine ganze Reihe von Varianten. Eine Köchin aus Dürnstein versicherte mir, dass das Originalrezept einen Kartoffelteig vorschreibt, mit dem die entsteinten und mit einem Würfelzucker gefüllten Marillen umhüllt werden. Nach dieser Methode hergestellt, schmecken auch mir Marillenknödel am besten. - Foto: Jürgen Schwalm  

 

Jürgen Schwalm

Wien

In Wien soll der Himmel noch immer voller Geigen hängen, obgleich Generationen walzerseliger Komponisten sie dort längst abgefiedelt haben. Trotz der vielen Eier, die die Strauße gelegt haben, reichte das Konservatorium zur Walzer-Nachzucht kaum mehr aus.

Jetzt werden Strauße nur noch in Schönbrunn ausgebrütet. Dort soll der älteste Tierpark der Welt sein. Das behaupten jedenfalls die Wiener, für die Wien das Macht-Zentrum bleibt, das die anderen Nationen nach noch immer kaiserlich eingefärbten Operetten-Librettos tanzend umkreisen sollen; aber die Fremden – allen voran die trampeligen Preußen, diese Piefkes - wollen sich partout nicht mehr im Dreivierteltakt drehen.

Donau, so blau, so grau. In Wien genießt man den Jux am Morgen nur deswegen, weil man weiß, dass man ihn am Abend bereuen darf.

Im Burgtheater, wo eine Aufführung die andere auspfeift (da gibt es noch wie im 19. Jahrhundert Claqueure) fragt Frau Doktor, die eigentlich nur Frau ist – Doktor ist ihr Mann – ihre Freundin, die ihre beste Feindin ist, in der Pause, die wichtiger ist als das Stück: „Magst aa so gern Marillenknödel?“ – „Ja, aber ich geb immer noch a Extra-Zuckerl eini“.  Rezeptaustausch für die Wiener Küche, die eigentlich immer eine böhmische war. In Wien gibt man sich halt arg viel Mühe, Saures zu versüßen, um sich hernach beim lieben Gott beschweren zu können, dass man wieder zugenommen hat.

In Wien schaut alles nahrhaft aus. Die Kaiserzeitgebäude am Ring sind aus einem Guss, die Sachertorte hat einen aus Schokolade.

In Wien gibt es große Braune und Fiakergäule. Sie meinen, das hätte nichts miteinander zu tun? Von wegen: der eine wird kalt, der andere alt. Sterben müssen wir eh alle, da können wir noch einen vorher trinken oder eine Ausfahrt machen, etwa nach Grinzing zum Heurigen. Einmal vorm Ende noch eine Reblaus sein, wie der alte Moser genuschelt hat, oder war’s der Hörbiger?

Man kann auch noch einmal in den Prater gehen, um sich zu langweilen. Vielleicht gibt’s nach der Jausen noch eine schöne Beerdigung, an der man sich erfreuen kann.

Die kleine Vroni, zehn Jahr alt, schreibt in ihr Aufsatzheft: „Der Wiener Zentralfriedhof ist schön. Viele sind froh darüber, dort begraben zu sein. Dort liegt man grün. - Meine Mutter sagt immer: ‚Ich gehe gern zum Friedhof. Wenn ich dort traurig sein kann, geht es mir gut’. Ich bin da aber nie traurig und trotzdem geht es mir dort gut.“

(aus. Jürgen Schwalm: Wiener Notenblätter)

 

 

 

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