Freitag, 14. Januar 2022

Eine Moritat

„Wer seine Schuhe pflegt und ehrt, dem sind die Füße lieb und wert“ (Zitat aus den verlegten Schriften von Hans Sachs), Assemblage von Jürgen Schwalm, 2022

 
 

Soeben erschien im Husum Verlag die Anthologie Lyrik im Schloss, herausgegeben von Therese Chromik (Edition Euterpe), 95 Seiten, 8,00 €, ISBN 978-3-96717-084-9, mit drei heiteren Gedichten von Jürgen Schwalm: Klabautermann, Eine Moritat, Die Meisterprüfung in der Zauberkunst.

Jürgen Schwalm

Eine Moritat

Als Tante Flora

nach Sommerrosen duftend

an einem kalten Winterabend

über glitzerndes Eis durch den Stadtpark trippelte,

 überfielen sie wütende Krähen.

Ein kläffender Köter

fand am Morgen

bei einer kahlen Rosenhecke

hinter der Ecke

nur noch Tantchens Perücke,

ihre Brosche

und eine Galosche.

Die Polizei war ratlos,

und selbst Hitchcock hatte keine Lösung parat.

Erst viele Monate später,

als der warme Sommerwind durch den Stadtpark strich,

fiel der Rosenhecke

hinter der Ecke

der Hergang des Verbrechens

plötzlich in die Blüten,

doch der Duft

verlor sich sofort in der Luft.

Die Krähen hatten ohnehin beraten,

ihr Geheimnis nie zu verraten.

Und wie alle Relikte ungesühnter Taten

verschloss man bei den Asservaten

Tantchens Brosche,

 die Perücke und auch die Galosche. 

 

 

 

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