Freitag, 27. Dezember 2019

Die Lebensuhren

Goldene Repetier-Taschenuhr mit Kette und Schlüssel, Viertelstunden-Schlagwerk, Original-Holzgehäuse, 
Frankreich, 19. Jh.
Gravur auf dem Innendeckel: Échappement à cylindre – quatre trous en joyaux.
Foto: Jürgen Schwalm


Samstag, 21. Dezember 2019

Weihnacht

Wachsstöckl mit Christkindl aus Rosenheim (1979) im Rahmen eines Reliquienbildes aus Carcassonne (Mitte 19. Jh.). – Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm





Samstag, 14. Dezember 2019

Die Rose

Jürgen Schwalm: Die letzte Rose des Jahres, Fotostudie, 2019


Jürgen Schwalm

Die Rose

Ihr Herz aus gefälteter Seide
arrangiert sich mit dem Schicksal,
das ihr blüht.
Sie wirft sich
in prachtvollen Roben
ihren Verehrern
an die Brust
und ritzt sie am Ende
mit ihren Dornen,
damit allen Schönheitstrunkenen
der Abschied von ihr
unvergesslich bleibt.

(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)



Samstag, 7. Dezember 2019

Die Laubfackel

Jürgen Schwalm: Abend-Blatt für Peter, Collage, 1982



Jürgen Schwalm

Die Laubfackel

Säumt auch der Frost-Atem die Blätter
indem er weiße Totenspitzen
an aufgebäumte Zweifel häkelt
dringt doch ein Lichtstrahl sorgsam ein
durch Trauermoos und klamme Rinde
und tröstet tief das Holz mit seiner Flamme


(in: Jürgen Schwalm: Aus Zeit und Raum, 1986)



Freitag, 29. November 2019

Neuerscheinung - Miszellen zum Stadtjubiläum Lübecks

Jürgen Schwalm (links unten) mit seiner aus Lübeck stammenden Großmutter Erna Dragendorff, geb. Hoyer, und seinen Schwestern Brigitte (links) und Renate (rechts) Schwalm auf dem Schauinsland im Schwarzwald 1941. Die Aufnahme machte die Mutter der Kinder: Lotte Schwalm, geb. Dragendorff



Neuerscheinung

Jürgen Schwalm publizierte Miszellen zum Stadtjubiläum
„875 Jahre Lübeck 2018“
(Lübeck – St. Marien – Palmarum 1942; Lübecks Glocken; Tatort Literatur Lübeck – Eine subjektive Betrachtung; Das Haus im halben Monde; Alt-Lübeck; Napoleonische Zeiten; …und Lübeck heute?!)
in:
Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte auf das Jahr 2020
42. Jahrgang, Verlagsgesellschaft Weinmann,
ISBN 978-3-921262-74-0



Samstag, 23. November 2019

Avant de mourir

Jürgen Schwalm: Variation in h-moll auf Goldgrund, Fotostudie, 2016



Jürgen Schwalm

Avant de mourir*


Nächtliche Tangoschritte
 Liebevolle Erinnerungen
auf den Saiten der Violine verhaucht

Könnte mich als letztes Geschenk
diese Melodie
den jähen Abschied von dir
vergessen lassen

Würden diese schlichten Klänge
wenn ich dich
wo auch immer
wiedergefunden hätte
unseren Begrüßungskuss begleiten
dann bäte ich das Lied
weiter mit uns zu tanzen
über den Tod hinaus

*Tango von Georges Boulanger (1893-1958)

 

Freitag, 15. November 2019

Rezension von Gisela Heese in den "Lübeckischen Blättern" vom 9.11.2019

Jürgen Schwalm: Den Volksempfänger VE 301 aus dem Jahre 1933, den meine Eltern in der Vorkriegszeit erwarben, skizzierte ich auf die erste Seite des Original-Prospektes für Leni Riefenstahls Film von der Olympiade 1936. Der zweiteilige Film “Olympia”, der 1938 in die Kinos kam, war der erste Film, den ich mit meinen Eltern in einem Kieler Lichtspielhaus anschauen durfte. Die Stunden, die ich als Kind vor dem Rundfunkgerät verbrachte, lieferten das Motiv für meine Kurzgeschichte “Achtung – Aufnahme! Wort- und Tonspuren”. 


Unter der Überschrift „Kein Muttertag im Oktober“ wurde eine ausführliche Rezension von Gisela Heese in den „Lübeckischen Blättern“ vom 9. November 2019, S. 309-310 publiziert, in der die Veranstaltung des Lübecker Autorenkreises zum Tag der Deutschen Einheit besprochen wird, die am 29. September 2019 stattfand.
Jürgen Schwalm las dabei seine Kurzgeschichte „Achtung – Aufnahme! Wort- und Tonspuren“, in der u.a. aufgezeigt wird, wie durch die in den Jahren 1933-1945 nationalsozialistisch ausgerichteten Rundfunksendungen die deutsche Jugend jener Zeit beeinflusst und gleichgeschaltet werden sollte.   




Samstag, 9. November 2019

Das abgelegte Gestern

Jürgen Schwalm: "Der Weg in den Herbst", Collage. Coverbild für den
"Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte auf das Jahr 2001

Jürgen Schwalm

Das abgelegte Gestern

Meine Einsamkeit
Der Rost des Abends

Hinter kahlem Geäst:
die Kälte

Wenn ich wüsste
ob du mich morgen noch rufen wirst:
Das wäre Beschränkung

Das Heute wundert sich
wie es möglich ist

Deine Hand findet meine Hand:
die Wärme


(aus: Farbwechsel, Wortbilder,1982)








Freitag, 1. November 2019

Herbst im Zuber

Jürgen Schwalm: “Urpflanze und Urvogel” oder “Goethe erforscht die Natur”, Diptychon, Glasmalerei, 2011

Jürgen Schwalm

Herbst im Zuber

Die Gerüchteküche wabert, wenn der Herbst im Zuber dampft.
Im Dämmerlicht signalisieren sich die Bäume schlechte Nachrichten zu, stricken Kobolde an Verleumdungen. 

Die Hausfrauen unter den Eichhörnchen haben zwar längst ihre Speisekammern gefüllt, inzwischen aber oft vergessen, wo sie ihre Schätze vergruben.
Doch die Waldhexe, die überall herumschnüffelt, verriet den Wildschweinen die Verstecke.
Die haben sich nach dem Fressen bei ihr mit einem Grunz-Konzert bedankt.
Die Hexe, die gerade einen giftigen Fliegenpilz-Trank in ihrem Nebeltopf kochte, hat sehr gelacht:
„Im nächsten Jahr reit’ ich wieder auf euch in die Walpurgisnacht.“
Da unkte eine alte Warzenkröte:
„ Solch Unfug steht bereits im Faust von Goethe.“










Freitag, 25. Oktober 2019

Die Schlange im Paradies

Jürgen Schwalm: “Der Apfelpflücker”, Detail aus der Collage “Etruskische Freuden”, 2003



Jürgen Schwalm

Die Schlange im Paradies

Die Schlange im Paradies lockt immer wieder mit süßer Frucht, deren Genuss sündhafte Wonnen verspricht. Doch sitzt der Wurm im Apfel. Der Biss in solches Obst hat Konsequenzen.
Deshalb lernt jede kluge Eva schnell, Adam ihre eigenen Äpfel anzubieten. Sie kommen ihrem Adam freilich meist nicht so verführerisch vor wie die paradiesischen Früchte. Deshalb zerteilt Eva ihre Äpfel häppchenweise und streut noch tüchtig Zucker darüber. Damit füttert sie ihren Adam zur Mitternacht.
Und siehe da: Adam wird mit dieser Speise sehr zufrieden sein, seine Eva loben und die Schlange im Paradies – wenigstens während des Essens – vergessen.

(aus: Der Lebensbaum, Betrachtungen, 2005)




Samstag, 19. Oktober 2019

HIER-LÜBECK DE - Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung

Seepferdchen (Hippocampus , benannt nach den Hippokampen , Fabelwesen, die in der griechischen Mythologie den Streitwagen Poseidons zogen. - Foto und Sammlung: Jürgen Schwalm).- Joachim Ringelnatz ist ein Nom de plume. Bürgerlich hieß er Hans Gustav Bötticher (1883-1934). Bötticher hat selbst nicht kommentiert, weshalb er sich den kuriosen Namen Ringelnatz zulegte. Er sagte, das Pseudonym habe keine Bedeutung. Forscher äußern, dass der Nachname Ringelnatz auf die Ringelnatter hinweisen könnte (“weil diese sich zu Wasser und zu Lande wohlfühlt”) oder auf das von Seeleuten Ringelnass genannte Seepferdchen, das Ringelnatz oft zeichnete und dem er ein Gedicht widmete. Der Vorname Joachim wird mit seiner Gläubigkeit in Verbindung gebracht (der Name bedeutet. “Gott richtet auf”).  

HIER-LÜBECK.DE – Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung seit 1999 – berichtete (Zitate):

Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm: Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern in der Lübecker Gemeinnützigen

Es war eine amüsante und abwechslungsreiche Soiree im Rahmen der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Litterärische Gespräche“. Am 19. September 2019 boten Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm im vollbesetzten Bildersaal der Lübecker „Gemeinnützigen“ unter dem Titel „Morgennatz und Ringelstern“ einen Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern. Subversives, lustvoll Anarchisches, Groteskes, Skurriles, Melancholisches und Ernsthaftes – dies alles findet sich in der Sprachartistik von Ringelnatz und Morgenstern… Die Gedichte von Ringelnatz und Morgenstern erinnern an den Dadaismus und die MERZ-Kunst von Kurt Schwitters…
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm, die eine hervoragende Textauswahl getroffen hatten, rezitierten zum Teil im Wechsel einfühlsam, nuanciert und akzentuiert und mit phantastischer Mimik und Gestik. Sie ergänzen die eindrucksvolle Präsentation mit erhellenden Kommentaren zu Leben und Werk der beiden Künstler. Beide wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit viel Beifall bedacht.

                                                                                                                              Lutz Gallinat


Freitag, 11. Oktober 2019

332. Literarischer Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises

Dokumente aus dem 2. Weltkrieg (vor 1945). Im Uhrzeigersinn (von links oben): Kleiderkarte für Jürgen Schwalm 1943, Zusatzkleiderkarte für Schwer-Fliegergeschädigte, ausgestellt für Jürgen Schwalm 1944, Versorgungsnachweis für die Familie Schwalm nach Zerstörung der Berliner Wohnung 1943, Ausbesserungsschein für Schuhe, ausgestellt für Jürgen Schwalm 1944, Jürgen Schwalm im Park von Schloss Rosenau (Foto:1944), Jürgen Schwalm auf einem Schulausflug in Zwettl /Österreich (Foto:1944)


Am 29. September 2019 fand der 332. Literarische Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises statt. Im Mittelpunkt der Matinee standen Texte zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.
Zu den Vortragenden gehörte auch Jürgen Schwalm.
Er las seine Kurzgeschichte Achtung- Aufnahme! Wort- und Tonspuren, in der aufgezeigt wird, wie im 2. Weltkrieg in Radiosendungen und Filmen über konsequente Propaganda ideologische Gleichschaltung erreicht werden sollte und dabei auch die Jugend des Autors geopfert wurde.
(Zitat:) “Noch immer jaulen die Sirenen zum Alarm in meinen nächtlichen Träumen. Und die Entwarnung erfolgt stets erst dann, wenn es zu spät ist.“
Die Kurzgeschichte steht in der von Therese Chromik und Bodo Heimann 2010 herausgegebenen Anthologie „Anrufung des Friedens“ 
(ISBN 978-3-89876-488-9).






Samstag, 5. Oktober 2019

Lübecker Theater-Nacht am 28.09.2019

Kurt Schwitters: Anna Blume, Dichtungen. Originalausgabe im Verlag Paul Steegemann, 
Hannover 1919. Umschlaggestaltung: Kurt Schwitters. Exemplar im Besitz des Verfassers


In der Lübecker Theater-Nacht
am 28. September 2019
rezitierte Jürgen Schwalm
in der Aula des Lübecker Johanneums
Texte des MERZ-Künstlers Kurt Schwitters (1887-1948),
darunter auch „Anna Blume“ und die „Ursonate“.



Schwitters war ein Multitalent, ein Allround-Künstler, Maler, Grafiker, Architekt, Collagist in Bild und Wort, ein Zertrümmerer, der aus dem Chaos eine neue Welt erschaffen wollte, die MERZ-Kunst nämlich, in der er, seinen eigenen Worten zufolge, „Beziehungen schaffen wollte, am liebsten zwischen allen Dingen der Welt.“ Schwitters neue Welt musste natürlich einen Namen bekommen. Aber warum ausgerechnet MERZ? Lassen Sie mich das mal so erklären:

Eines Tages, vor 100 Jahren, also 1919 war’s, da erhielt Kurt Schwitters einen Brief von der Commerzbank. Er dachte erst, er würde zu einem Kommers geladen, aber es war doch das Geldinstitut. Er dachte: Komm, komm, komm, ich verhielt mich doch immer comme il faut, aber es war März und er brauchte nicht lange zu raten, es ging um die Raten, und er hatte wieder mal kein Geld sondern nur noch einen Knopf im Portemonnaie für den Klingelbeutel. Er sprach: „Kunst und Kommerz verträgt sich nicht“, und er nahm den COMMERZ und zerriss ihn inmitten, da hatte er in einer Hand das COM und in der anderen den MERZ, nur waren beide Teile falsch geschrieben. Er aber rief: „Was kümmert’s mich, du dummer Duden du!“ Und er sang: „Komm, lieber MERZ, und mache die Bäume wieder Mai!“ Ei- ai, ei -da, da-da: da war die MERZ-Kunst geboren!

                                                                                                                                       Jürgen Schwalm











 

Samstag, 28. September 2019

Sonnenblume

Sonnenblume. Foto: Jürgen Schwalm, 2019



Jürgen Schwalm


Sonnenblume

Hier ist der Wächter,
der zyklopenäugig
den erbarmungslosen Himmel
mit gelben Zungen verbellt.
Schlägt die Sonne zurück,
fällt auch dieser Aufrechte
in seiner Verblendung.


(Aus dem Zyklus: Der Blütengarten)






Freitag, 20. September 2019

AVE EVA AVE

Jürgen Schwalm: Blühender Garten, Hinterglasmalerei, 2019

Jürgen Schwalm


AVE EVA AVE
In memoriam Eva Schwieger-von Alten

Dein Farbengarten sprengte jeden Rahmen

Du serviertest mir die Amselrufe schon zum Frühstück
legtest den Eichenschatten über den Mittagstisch
und schmücktest den Abend mit Sternblumen

Fruchtbar mehrte sich hier alles

Trink mich
rief das ungezähmte Grün

Ich wollte bei dir das Himmelblau
auf Flaschen ziehn für meinen Herzenswinter
und alle Wolken wie Tücher einsammeln
um dir damit zuwinken zu können

Du kannst aus deinem Namen
für immer meinen Gruß lesen:
AVE EVA AVE













Freitag, 13. September 2019

"Morgennatz und Ringelstern"

Christian Morgenstern: Fisches Nachtgesang. - Plakat: Jürgen Schwalm



Donnerstag, d. 19. September 2019, 19.30 Uhr
Bildersaal der Gemeinnützigen
Königstraße 5, 23552 Lübeck

Jutta Kähler, Jürgen Schwalm:
„Morgennatz und Ringelstern“
Ein Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa
von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern

Morgennatz und Ringelstern - - Warum vertauschen wir in der Ankündigung die Silben der Namen der Dichter Morgenstern und Ringelnatz? Die drollige Namensverknüpfung erscheint uns gerechtfertigt, weil sich beide in den Gedichten, die wir heute vortragen werden, bei allen Unterschieden doch frappierend nahe kommen.
Beide Autoren setzten ihre Fähigkeit ein, die verrückte Welt, die uns umgibt, skrupellos und bis zur letzten Konsequenz so zu hinterfragen, dass der Leser/Hörer kopfschüttelnd jeden Widerstand aufgibt und schließlich nachdenklich geworden und gleichzeitig wie „ein satter Säugling zufrieden lächelnd“ (Morgenstern) an ihren Höhenflügen teilnimmt.
Es sind die nicht auszurottenden und sich wiederholenden Rechenfehler des täglichen Lebens und der Welt, die beide Dichter zu ihren Eskapaden verführten. Der Unsinn, der überall hinter dem Gerümpel der Realität hockt und hervorgrinst, wird aufgedeckt und in verzwickten Aktionen mit erfindungsreicher Akribie und sprachlicher Akrobatik bespiegelt. Da gibt es durchaus Experimente, die an den Dadaismus und an die MERZ-Kunst Kurt Schwitters erinnern. Nach den Manipulationen von Ringelnatz und Morgenstern steht hinterher nichts mehr an ursprünglicher Stelle, alles ist verschoben und neu verschraubt worden. Beide Autoren agieren so plausibel und suggestiv, dass auch der Leser Gefahr läuft und es sogar zulässt, dass seine Sichtweise ver-rückt wird. Vorsicht, meine Damen und Herren, Sie könnten zur Auffassung gelangen, dass die Verse, die Morgenstern und Ringelnatz verknitteln, offenbaren sollen, dass es der Unsinn ist, der sich als der eigentliche Sinn der Realität erweist.
Jürgen Schwalm




Samstag, 7. September 2019

Kypris

Jürgen Schwalm: “Meeres-Frucht”, Hinterglasmalerei, 2019

Jürgen Schwalm

Kypris

Kondensstreifen am Himmel:
Jet-Set-Zickzackschrift moderner Götter

Wo einst
in der Schmiede des Lichts
die Strahlen gehärtet wurden,
die Funken sprühten,
Feuer und Wasser sich vereinten,
in der Esse des Windes
das Metall geschmolzen wurde
zu Zentnersäulen der Kraft
für die Glieder der Kypris,
entsteigt jetzt dem dauergewellten Meer
eine Bikini-Schönheit
in blondgebleichter Pose
und zeigt ihr langes Spielbein
den gefräßigen Strandräubern

(aus: Griechische Zeilen) 



Freitag, 30. August 2019

"Litera-Tour" 2019

Diese Europa-Karte der deutschen Wehrmacht begleitete uns im Mai 1945
auf unseren Fluchtwegen. – Archiv: Jürgen Schwalm


Seit 1991  veranstaltet der Lübecker Autorenkreis jährlich eine „Litera-Tour“ in eines der neuen Bundesländer unter dem Motto „Kennenlernen – aufeinander zugehen“, eine Initiative des Gründers und 1. Vorsitzenden des Autorenkreises Klaus Rainer Goll. Der Autorenkreis feiert  2020 sein 40-jähriges Bestehen.
In diesem Jahr ging die 27. Litera-Tour vom 23. bis zum 25. August nach Bad Saarow auf den Spuren u.a. von Johannes R. Becher, Maxim Gorki, Theodor Fontane und des Komponisten Xaver Scharwenka, in dessen Haus, dem jetzigen „Scharwenka-Kulturforum“, am 23. August eine Lesung mit Brandenburger und Schleswig-Holsteiner Autorinnen und Autoren stattfand.
Gelesen wurde Lyrik und Kurzprosa aus der gesamtdeutschen Anthologie  „Grenzfälle“ (Texte aus Brandenburg und Schleswig-Holstein, herausgegeben von Klaus Rainer Goll, Klaus Körner und Till Sailer, verlag für berlin-brandenburg, 2017, ISBN 978-3-945256-82-4). Jürgen Schwalm berichtete über seine Flucht im Mai 1945; er las sein Gedicht Jahrgang 1932 und einen Abschnitt aus dem Prosa-Text Zwischen den Fronten.






Freitag, 23. August 2019

Nymphaea

Seerosen. Foto: Jürgen Schwalm, 2019


Jürgen Schwalm

Seerose

Nymphaea
So selbstverliebt können sich nur solche Blüten auf dem Spiegel der Wasseroberfläche bewundern, die sich mit einem Stängel in der Tiefe verankert wissen. Mäzene, die im finstern Untergrund an der Geldquelle sitzen, protzen immer mit der Opulenz der Garderobe der Frauen, die sie in den Pranken halten, wobei es ihnen weniger darauf ankommt, ob diejenigen Stil haben, die am Stiel sitzen.


(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)



Freitag, 16. August 2019

Der Knauf-Kopf

Foto: Jürgen Schwalm, 2019



Der Knauf-Kopf

Kürzlich schlenderte ich durch Lauenburg an der Elbe und bewunderte die alten oft liebevoll restaurierten Fassaden der Häuser. Als ich das oben abgebildete Ensemble sah, den Kopf am Knauf des Geländers und den Klingelzug bei der Haustür, fiel mir als Folge einer alchemistischen Gedankenreaktion sofort „Der goldene Topf“ von E. T. A. Hoffmann ein, das wohl schönste Kunstmärchen der deutschen Romantik.
Der Studiosus Anselmus will das Haus des königlichen Archivarius Lindhorst betreten, aber der Archivarius ist eigentlich ein großer Geisterfürst aus dem wunderbaren Geschlecht der Salamander und besitzt ein Rittergut in Atlantis, dem Reich der Phantasie und der Poesie. In den Kampf des Geisterfürsten für die Schönheit und gegen die schnöde Bosheit der Realität wird Anselmus auf merkwürdige Weise einbezogen.
Wie Anselmus eben die Hand erhebt, um den Türklopfer zu bedienen, verwandelt sich dieser in die höhnisch grinsende Fratze einer teuflischen Frau, die im Verlauf der magischen Handlung immer wieder ihre Daseinsform wechselt. Als Tochter eines Flederwisches und einer Runkelrübe ist sie das feindliche Prinzip, das als Apfelverkäuferin, Kartenlegerin oder als Kinderfrau agiert, aber auch als Kaffeekanne die Gespräche junger Mädchen belauscht oder sich in einen Türklopfer verwandelt.
Zwar hat E. T. A. Hoffmann die Handlung in Dresden angesiedelt, aber bei derart krausen Verwicklungen sei es dem Kopf doch gestattet, sich auch auf einem Geländerknauf in Lauenburg zu präsentieren, zumal beide Orte an der Elbe liegen.
Ach, liebe Freundinnen und Freunde, lesen Sie den Goldenen Topf, und wenn Sie früher schon daraus genascht haben, lesen Sie ihn noch einmal bis zum Happy End, das man hübscher nicht erfinden kann: „Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbart?“ 

       Jürgen Schwalm

 

 

 

Freitag, 9. August 2019

Ein Gedicht aus alter Zeit

Lübeck, Schulgarten. Am Ende des Lindenganges steht die Plastik “Dorothea ( = Das Wasser schöpfende Mädchen)”, die Ernst Müller-Braunschweig (1860-1928) zwischen den Jahren 1910 und 1920 schuf. – 
Foto: Jürgen Schwalm, 2019



Jürgen Schwalm


Ein Gedicht aus alter Zeit
(geschrieben 1954 für Christel)


Zueignung

Als du mir den Weihekuss gegeben
mit dem Saft der Zauberreben,
zogen wir in Paradiese ein.
Alle Gärten, die wir dort betraten,
blühten auf, als wir sie baten,
nur noch für uns da zu sein.
Unser Rausch hat uns beraten,
singen ferner stets zu zweit.
Bäume, die dem Schatten sich verschließen,
werden da ihr Blätterlicht vergießen
sommergrün zu einer Ewigkeit.