Freitag, 23. September 2022

Hedwig und Franziska Dragendorff


 

Soeben erschien bei Seemann Publishing: 

Jürgen Schwalm: Hedwig und Franziska Dragendorff

Lebensbilder aus dem 19.Jahrhundert.

Die Neuerscheinung kann als Taschenbuch zum Preis von 14,06 € und

als gebundenes Buch für 17,14 € erworben werden u.a. über

https://amzn.to/3LnOgnj

Zitat aus der Vorbemerkung: Zu den mütterlichen Vorfahren des Autors Jürgen Schwalm gehören Mitglieder der Familie Dragendorff aus Rostock. Einige dieser Ahnen schrieben fesselnde Lebensberichte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Hedwig Dragendorff (1807-1896), Erzieherin und lebenslang anteilnehmende Freundin des Literaturwissenschaftlers, Dichters, Übersetzers und Kunstsammlers Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894), der die nach ihm benannte Schack-Galerie in München begründete. Ihre Schwester Franziska Dragendorff (1821-1884) heiratete den Juristen Friedrich Genzken (1817-1875), der 1848 als Strelitzer Abgeordneter zum Frankfurter Parlament (Paulskirche) gehörte.- Hineingeboren in die Welt des sogenannten Biedermeier, eigentlich eine Zeit verheimlichter Rebellionen, durchlebten beide Frauen nach einer behüteten Jugend ein Jahrhundert, das durch tiefgreifende technische Neuerungen und dramatische gesellschaftliche Veränderungen gekennzeichnet war. Der Verfasser sah seine Aufgabe darin, von den Schicksalen dieser Frauen zu berichten, indem er  s i e  berichten ließ.  

 

 

 

Freitag, 16. September 2022

Goethe in Nöten

„Der Karneval des Lebens“. – Masken in der Auslage eines Souvenirladens in Verona. – Foto: Jürgen Schwalm, 2009

Goethe in Nöten

In seiner „Italienischen Reise“ schilderte Goethe eine Episode, die viele amüsiert hat, deren Berichterstattung aber einige Damen seiner Umgebung damals höchst unschicklich fanden.

Goethe betrat am Gardasee eine Herberge und fragte den Wirt, wo man denn hier einmal könne…

Der Wirt gab mit vager Gebärde den Hinweis: „Da unten!“

Goethe wollte es denn doch etwas präziser wissen und fragte nach: „Wo da unten?“

Der Wirt antwortete: „Überall da unten!“

(berichtet nach den Erstausgaben von J.W. v. Goethes „Italienischer Reise“)

 

 

 

 

Freitag, 9. September 2022

Die Pflanze und ihr Leben


 

Und der Mensch der Pflanzenwelt gegenüber? Mannigfach verändernd hat er eingegriffen und die großen Phasen seiner Geschichte sind auch auf dem grünen Blatte der Vegetation verzeichnet. Aber wie hat er gewirthschaftet? … Nun ja, wir wollen ihm den Ruhm nicht abstreiten, daß da, wo Eigennutz und thierisches Bedürfniß ihn trieben, sich wohl der Einzelne auf seinen Vortheil verstanden hat, aber dann mit Mitmenschen und Nachwelt nur gezwungen durch Naturgesetze den erlangten Vortheil theilend. Hingegen da, wo kein augenblicklicher Vortheil für ihn im Unterstützen der Natur oder auch nur im Schonen derselben lag, wo es sich ja nur um das Elend von ein Paar Millionen Nachgeborner handelte, hat er mit barbarischer Rohheit zerstört und vernichtet, auf Jahrtausende hinaus oft nicht nur ihm, sondern auch seinen Nachkommen verliehenen Segen Gottes liederlich verschleudert. Und hat er sich bemüht, den Tempel Gottes zur allgemeinen Verehrung zu schmücken und zu heiligen? O nein, bei seinem eigennützigen Treiben, bei den Kummerthränen des durch seine Schuld elend gewordenen Bruders, bei dem Heulen des gepeitschten Sclaven war ihm die beständige Erinnerung an Gott unangenehm und störend, er erklärte das Wehen des göttlichen Odems in der Natur für ein Ammenmährchen, um nicht mehr durch sein Gewissen erschreckt zu werden. Die Schönheit, der Ausdruck des Göttlichen in der Natur verschwand vor der eigennützigen Ausbeutung der Pflanzenwelt und höchstens, engherzig nur für sich sorgend, grenzte sich der Einzelne ein Räumchen ein, in dem er die Schönheit der Natur nicht als Cultus, sondern als Sinnenreiz pflegte. Das sind bis jetzt die Thaten der Menschen, nach Jahrtausenden hoffen wir Besseres berichten zu können…Aber spottend möchten wir dem Geschrei über unsere hohe Bildung entgegentreten, da doch jede ernste ethische Betrachtung der Geschichte uns sagen könnte, dass wir uns kaum etwas aus dem Koth der tiefsten Erniedrigung und Rohheit hervorgearbeitet…

Dies ist ein nach wie vor aktuell gebliebenes Zitat aus dem erstmals 1848 in Leipzig erschienenen Buch „ Die Pflanze und ihr Leben“ von Matthias Jakob Schleiden (Hamburg 5.4.1804 -23.6.1881 Frankfurt /Main), Prof. der Botanik in Jena, 1863-1866 Prof. der Botanik und der Anthropologie in Dorpat. Schleiden lehrte, dass alle Pflanzenteile aus Zellen bestehen und dass sich der embryonale Pflanzenorganismus aus einer Zelle entwickelt, eine damals epochale Erkenntnis.

Ein Exemplar des Buches „Die Pflanze und ihr Leben“ befand sich auch in der Bibliothek meines Urgroßvaters Georg Dragendorff (Rostock 20.4.1836 – 7.4.1898 Rostock), Prof. der Pharmazie an der Universität Dorpat (1864-1894).

Das Exemplar, aus dem ich zitiere, wurde mir im Juni 1977 aus Magdeburg von dem Anatom und Neurobiologen Helmke Schierhorn (1934-1986) geschenkt.

Das Buch von Schleiden enthält 5 farbige Tafeln und 13 Holzschnitte, die vom Autor gezeichnet und in der Lithographischen Anstalt von J. G. Bach in Leipzig reproduziert wurden. Auch das oben wiedergegebene Titelblatt stammt von Schleiden.

Jürgen Schwalm

 

 

 

 

Freitag, 2. September 2022

Schallgehäuse


Jürgen Schwalm: „Entwurf einer Akropolis“, Collage, 1992

 

Jürgen Schwalm 

 

Schallgehäuse

 

Die Zeit: Ein Meer aus Glas

und abgesunken im Ultramarin

meine südlichen Orte

am Grund der Träume

 

Weiße Häuser an steilen Wegen

und an die oberste Mauer gepresst

da wo das Licht noch fließt

flüstert eine unermüdliche Heilige

Gebete für ertrunkene Tage

in das schimmernde Ohr der Muschel

 

 

 

 

(aus: Griechische Zeilen)