Samstag, 24. Juli 2021

Die Rose

In memoriam Oscar Wilde: „Das Herzblut der Rose“, Foto: Jürgen Schwalm (2021)

 

 

Jürgen Schwalm 

 

Die Rose 

 

Ihr Herz aus gefälteter Seide

arrangiert sich mit dem Schicksal,

das ihr blüht.

Sie wirft sich

in prachtvollen Roben

ihren Verehrern

an die Brust

und ritzt sie am Ende

 mit ihren Dornen,

damit allen Schönheitstrunkenen

der Abschied von ihr

unvergesslich bleibt. 

 

(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)

 

 

Freitag, 16. Juli 2021

Zitate aus einem Brief über Marcel Proust

Marcel Proust im Alter von 21 Jahren. Gemälde von Jacques – Emile Blanche (1861-1942)

 

Jürgen Schwalm

Zitate aus einem Brief über Marcel Proust

geboren am 10. Juli 1871, also vor 150 Jahren, in Paris 

 

…Im Grunde ist Prousts „À la recherche du temps perdu“ wie Manns „Zauberberg“ ein Buch über die Relativität der Zeit, die sich in der subjektiven Wahrnehmung ausdehnt oder verkürzt, abhängig von den Ereignissen, die die Zeit ausfüllen oder nicht…

…Proust ist ein Meister der komplizierten Camouflage; er verwandelt  das Mädchen Jeanne Pouquet in eine Gilberte, weil er einen Knaben beschreiben will, den er Gilbert nennen möchte…

…Wenn ich an Proust denke, sehe ich ihn immer als Junge im Matrosenanzug und als Dandy im Frack (mit einer Lilienblüte im Knopfloch) auf einem verschnörkelten samtbezogenen Fauteuil sitzen, in gekauerter Stellung, aber die Augen weit geöffnet, um seine Umgebung zu beobachten, damit sie seine innere Welt wird. Er lebt nicht sein eigenes Leben, sondern spiegelt sich in der Welt der anderen… 

 

 

 

 

Samstag, 10. Juli 2021

Motomanie

VW-Käfer 1952, Degussa Feinsilber 999, Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

Jürgen Schwalm

Motomanie

Die Liebe zum Auto ist epidemisch; man könnte von grassierender Motomanie sprechen.

Bis zur Haustür zu fahren, genügt nicht mehr. Am besten parkt man auf dem Bettvorleger und landet mit dem Schleudersitz direkt in der Falle beziehungsweise umgekehrt: vom Wasserbett wieder hinterm Steuer.

Bloß keine Eigenbewegung. Die Hauptsache, das Auto fährt aus, damit sich der Motor freut vom Start bis zum Schrott.

Aus: Jürgen Schwalm, Wort und Bild und Kunst und Leben – Einfälle zu Vorfällen, Verlag Seemann publishing, 2021

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 2. Juli 2021

Surrealismus

Jürgen Schwalm: „Entreiße mich dem Löwenrachen“, Collage, 1977.- Aus der Publikation: Marianne Junghans und Jürgen Schwalm: „Aus den Gebirgen der Schwermut“, Gedichte mit Antwortgedichten, 1977   

 

Surrealismus

Warum ich Surrealist bin -

Ich bin Surrealist

wegen des Schreis aus dem Traum

wegen des Schreis aus dem Traum damit die Folterkammer des Menschengeheimnisses aufgeht

wegen des Schreis aus dem Traum wegen des Schlüssels zur Kindheit

Vitezslav Nӗzval (1900-1958)

 

Die Bilder unserer Träume sind ehrlicher und damit wahrer als die Bilder, die uns die Realität zeigt. Deshalb muss verhindert werden, dass sich die Realität über den Traum stellt. Realität und Traum sind in gleichem Ausmaß bedeutsam für das Leben und die Kunst. Die Realität darf die Träume nicht unterdrücken und die Träume sollen die Realität beraten. Dass sich Traum und Realität auf einer höheren Ebene in einer gemeinsamen Aufgabe zusammenfinden, das ist die Forderung des Surrealismus.

Jürgen Schwalm

 

Aus dem Universum der Träume erhebt sich eine neue Welt, die sich zwar an die Realität erinnert, aber deren Grenzen und Regeln überwindet.

Jürgen Schwalm

 

Im Verlag Seemann Publishing erschien von Jürgen Schwalm: Wort und Bild und Kunst und Leben – Einfälle zu Vorfällen, ISBN:979 – 8507818785, Taschenbuch, 342 Seiten, 17,55 €, - Der Band kann u.a.  bezogen werden über https://amzn.to/3oGOudT