Freitag, 26. Mai 2023

J.S. Bach in Leipzig

 

John Sebastian Bach with Views of the St. Thomas School, Bachs Monument, St. Thomas Church & Observatory at Leipzig. H. Bibby, pinx., A.H. Payne, sc, London; Braine & Payne, 12, Paternoster Row. 

Den Stich erwarb ich im Buchantiquariat Babendererde, Lübeck, Danziger Straße 49 zum einjährigen Bestehen meiner dermatologischen Praxis (also zum 1.10. 1966); er wurde für diesem Termin in der Rahmenhandlung Carl Mewes, Mühlenstraße 33, gerahmt. Der Stich von J.S. Bach basiert auf dem Gemälde von Elias Gottlob Haußmann (1695-1774) aus dem Jahr 1746.

Links oben ist die alte Thomaskirche,

rechts oben der Pleißenturm (des 1897 abgerissenen Schlosses Pleißenburg), in dem sich von 1794 – 1861 die Sternwarte = Observatorium befand und dessen Fundament in den Bau des neuen Rathauses einbezogen wurde

und unten die alte Thomasschule (1902 abgerissen) mit dem Thomaspförtchen und dem alten Bachdenkmal (gestiftet von Felix Mendelssohn-Bartholdy,1843 eingeweiht) abgebildet.

Über den Künstler des Stiches, der nach 1843 entstand, berichtet u.a. Ulrich Thieme & Felix Becker (Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler, hrsg. von Hans Vollmer, 26. Bd.,Leipzig, Seemann 1932): Albert Henry Payne, reproduzierender Stahlstecher, Maler und Illustrator, geb. 14.12.1812 London, gest. 7.5.1902 Leipzig, tätig seit 1838 in Leipzig, wo er einen Verlag = „Englische Kunstanstalt“ gründete. Sein Sohn Albert Payne, geb. 3.6.1842 in Leipzig, gest. 1.4.1921 in Leipzig, arbeitete als Kupferstecher im Verlag seines Vaters.

Jürgen Schwalm

 

 

Freitag, 19. Mai 2023

Belemniten


 

Belemniten sind fossile Kopffüßler (Cephalopoden), die vom Unterkarbon bis zum Ende der Kreidezeit existierten. Sie ähnelten den heutige Kalmaren, hatten 10 Fangarme (ohne Saugnäpfe aber mit Haken) und einen Tintenbeutel. Das Innenskelett, von dem meist nur das Rostrum petrifizierte, gliedert sich von vorn nach hinten auf in
 

 

 

 

 

Die Bezeichnung Belemnit leitet sich ab von griechisch Belemnon= Blitz, Geschoss. Vom 16. Jh. an bezeichnete sie der Volksmund als Donnerkeile, als mit dem Blitz niedergefahrene Keile. Der Begriff Donner leitet sich wiederum ab vom germanischen Donnergott donar, nach dem der Donnerstag benannt wurde. Ursprünglich wurden die Belemniten als versteinerte Geschosse und Überreste von Schlachtfeldern gedeutet. In der Lithotherapie fanden die Donnerkeile u. a. Verwendung beim Hexenschuss, zu dessen Prophylaxe und Therapie man sie als Amulette trug oder pulverisiert einnahm.

Die Abbildung (Sammlung und Foto Jürgen Schwalm) zeigt eine Reihe Rostren von Belemniten aus dem Jura des östlichen Albvorlandes. In einigen Bruchstücken ist der jeweilige segmentierte ursprünglich gasgefüllte Antriebskörper (Phragmokon) in gutem Erhaltungszustand zu sehen. Das Rostrum auf der Abbildung rechts ist von Pyrit-Kristallen umhüllt. - Zum Größenvergleich: Das längste Rostrum (auf der Abbildung das 3. von rechts) misst 12,3 cm.

 

 

 

 

Freitag, 12. Mai 2023

Der Schwarm

Jürgen Schwalm: Die Königin der Yrr - Für Frank Schätzing. - Hinterglasmalerei über gefälteltem Stoff, 2023

Vor Wochen wurde die (nicht überzeugende) Fernsehfassung von Frank Schätzings Roman DER SCHWARM ausgestrahlt. Das war für mich der letzte Anstoß, endlich einmal diesen zu Recht vielbesprochenen und vieldiskutierten Thriller ganz durchzulesen, dessen Umfang (ca. 1000 Seiten) mich bislang abgeschreckt hatte. Und siehe da: Die vielschichtige spannende Handlung nahm mir jetzt vom ersten Augenblick an derart den Atem, dass mich einige allzu ausgedehnt erzählte Handlungsstränge gegen Ende des Buches nicht mehr enttäuschen konnten.

Unter keinen Umständen möchte ich hier etwas vom Inhalt des grandiosen Werkes verraten, das sich jeder für sich erobern muss. Aber es geht darin um akut bedrohliche Probleme, die uns auf den Nägeln brennen. Was - oberflächlich betrachtet - als Produkt der Phantasie erscheint, könnte sich bald als vernichtende Realität erweisen. Bei der Abfassung seines Werkes hat sich Frank Schätzing (geb. 1957 in Köln) von einem großen Stab von (am Schluss namentlich erwähnten) Forschern anregen und unterstützen lassen, so dass alle Aussagen wissenschaftlich untermauert sind. Hierzu ein Zitat aus einem Dialog (ab S. 766):

„Gut, schauen wir mal“, sagte Crowe. „Evolution, das ist der Kampf ums Dasein, das Überleben des Stärksten, um bei Darwin zu bleiben. Beides resultiert aus Widrigkeiten, entweder aus dem Kampf gegen andere Lebewessen oder gegen Naturkatastrophen. Es gibt also eine Weiterentwicklung durch Auslese. Aber führt das automatisch zu höherer Komplexität? Und ist höhere Komplexität ein Fortschritt? …Wir sehen nur einen kleinen historischen Ausschnitt, innerhalb dessen gerade mit Komplexität experimentiert wird, aber wer sagt uns, dass wir nicht als Sackgasse der Evolution enden? Es ist unsere Selbstüberschätzung, mit der wir uns als vorläufigen Höhepunkt eines natürlichen Trends betrachten…Wir Menschen sind die einzige verbliebene Art eines einst üppigen Evolutionsbusches. Der Rest einer Entwicklung, deren übrige Zweige verdorrt sind, der letzte Überlebende eines Experimentes mit Namen Homo. Homo Australopithecus: ausgestorben. Homo habilis: ausgestorben. Homo sapiens neanderthalensis: ausgestorben. Homo sapiens sapiens: noch da. Vorübergehend haben wir die Vorherrschaft über den Planeten errungen, aber Vorsicht! – Parvenüs der Evolution sollten Vorherrschaft nicht mit innerer Überlegenheit und längerfristigem Überleben verwechseln. Wir könnten schneller wieder verschwunden sein, als uns lieb ist…80 Prozent aller Vielzeller erfreuen sich eines weit größeren Evolutionserfolgs als der Mensch…Unsere Ausstattung mit Geist und Bewusstsein ist ein Fortschritt einzig aus unserer subjektiven Weltsicht. Dem Ökosystem Erde hat diese bizarre, unwahrscheinliche Randerscheinung Mensch bisher nur eines eingebracht: einen Haufen Ärger.“

 

Aufruf an die noch unentschlossenen Leser: Lassen Sie sich auf das großartige Abenteuer ein, mit Frank Schätzing in die Tiefen der Weltmeere zu tauchen. Nehmen Sie teil an seiner Exkursion durch Zeit und Raum



 

Freitag, 5. Mai 2023

Hamburg liest verbrannte Bücher

Kalkstein in Form eines unregelmäßigen Hakenkreuzes. Mein Freund, der Arzt und Schriftsteller Dr. Armin Jüngling (1909-1984) fand den Stein in Mallorca und schenkte ihn mir als "Spiel der Natur" 1977.- Foto: Jürgen Schwalm. - Zur Nomenklatur: Das Hakenkreuz (die Crux svastica) hieß ursprünglich lateinisch Crux gammata, gräzisiert Gammadion.  Im Französischen wurde daraus die croix gammée. In Frankreich heißt das Hakenkreuz auch croix cramponnée (von cramponner = klammern).

 

In den Lübecker Nachrichten vom 21. 04. 2023 stand folgende Notiz:

Hamburg liest verbrannte Bücher. Hamburg. Ein stadtweites Literaturfestival „Hamburg liest verbrannte Bücher“ erinnert an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Vom 10. Mai bis 10. Juni werden in rund 50 Lesungen, Vorträgen, Ausstellungen, Poetry Slams und Liederabenden die geächteten Autorinnen und Autoren vorgestellt.

2006 erschien in der WFB VRLAGSGRUPPE der Essay von Jürgen Schwalm: Erst Bücher, dann Menschen – Zur Geschichte der Bücherverbrennungen. Daraus folgen hier einige Zitate aus der Einleitung:

Büchervernichtungsaktionen sind keine Erfindung der Nationalsozialisten, wie der Nationalsozialismus ja überhaupt nicht autochthon gewachsen ist, weder in seiner Ideologie noch in seiner Symbolik. Nicht nur die Nationalsozialisten schmückten Gebrauchsartikel und Kunstgegenstände mit dem Hakenkreuz. Als Svastika, abgeleitet von dem Wort „swasti“, das im Sanskrit „Glück“ bedeutet, ist es seit der Antike nicht nur in Indien, sondern weltweit verbreitet, also nicht nur ein germanisches Zeichen. Das Hakenkreuz spielte längst eine große Bedeutung in der Kunstbetrachtung, bevor die Nationalsozialisten es in der Form des rechtsdrehenden, also in die Zukunft rollenden Sonnen- und Siegesrades in Misskredit brachten. Die Angst vor dem Hakenkreuz war 1945 nach dem Zusammenbruch so groß und hysterisch aufgeheizt, dass sich sogar etliche deutsche Museumsleiter entschlossen, nicht nur die germanischen, sondern auch gleich die griechischen und römischen Fundstücke, die dieses Zeichen trugen, aus ihren archäologischen Sammlungen zu verbannen.

Kunst und Literatur, diese Sammelbecken schöpferischer Kraft und nicht selten selbst wahre Hexenkessel brodelnder Provokation und Opposition, konnten von jeher Opfer einer Inquisition werden, aus welcher Richtung auch immer. Erst eliminiert man die Werke und verstümmelt sie, dann bespuckt man die Künstler und schließlich verbrennt man die diskreditierten Menschen: Das brauchten die Nationalsozialisten nicht zu lernen, das hatte es alles schon längst gegeben.

Der Titel, den ich meinem Bericht voranstelle: „Erst Bücher, dann Menschen“, ist ein abgekürztes Zitat aus Heinrich Heines „Almansor“.Das 1820/1821 entstandene Werk wurde von Heine selbst als Tragödie bezeichnet, aber eigentlich entzieht sich die Form jeder Definition…Natürlich geht es um die Liebe, um die göttliche Liebe auf der einen Seite, aber – wie können wir das bei Heine anders erwarten – vor allem auch m die sehr irdische Liebe zwischen dem Moslem Almansor und der zum Christentum konvertierten Zuleima, die die christliche Kirche als „Hain der Liebe“ bezeichnet und die entscheidende Aussage der Handlung formuliert: „Die Erde ist ein  großes Golgatha, wo zwar die Liebe siegt, doch auch verblutet“. In Heines Tragödie Almansor stehen die im Zusammenhang mit den Bücherverbrennungen häufig zitierten Worte:

Almansor: Wir hörten, dass der furchtbare Ximenes,

Inmitten auf dem Markte, zu Granada

Mir starrt die Zung im Mund – den Koran

In eines Scheiterhaufens Flammen warf!

Hassan: Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher

Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen…