Sonntag, 28. Januar 2018

Der Botenvogel


Vogel (Adler?) aus einem Wandbehang (Vorhang), koptisch, 6. – 7. Jh., Ikonenmuseum Recklinghausen. Der Vogel hält entweder ein Efeublatt oder wohl eher eine Traube im Schnabel und um den Hals eine Kette mit einer Bulla (mit rotem Kreuz). Auffällig ist auch der Nimbus um den Kopf des Vogels. Die Darstellung hat mit Sicherheit christliche Bedeutung, zudem werden dem Adler schützende Funktionen zugeschrieben. Foto nach einer Postkarte des Museums.



Jürgen Schwalm

Der Botenvogel

für Christel 

 
Eh ich dich fand 
hab ich den Botenvogel gesandt
mit Liedern aus meinem Land

Als du dich zu mir gewandt
hab ich ein Schriftband
gespannt
zwischen meine und deine Hand



Aus dem  meiner Frau  gewidmeten  Lyrikband  „Aus Nimmermehr ein Immermehr“, 
der vor vierzig Jahren erschien


Samstag, 20. Januar 2018

Prof. Dr. Johannes Justus Rein


Schmuckteller mit der Darstellung der Tempellandschaft am Fuß des Berges Haku-san, den J.J. Rein bei seiner Japan-Reise bestiegen hatte. Neuzeitliches Produkt der Shinwa-Compagny.



Mein Urgroßvater, der Geograph Prof. Dr. Johannes Justus Rein,
starb vor hundert Jahren am 23. Januar 1918 in Bonn.
Es war nicht nur sein Aufenthalt in Japan (1873-1875), durch den Rein international bekannt wurde. Rein forschte auch in Estland (1858-1860), war 1860 in Skandinavien, vertiefte seine Fachkenntnisse in England (1861), wirkte als Erzieher auf den Bermuda-Inseln, wo er die Struktur der Koralleninseln erforschte (was zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Darwins Theorie der Riff- und Atollbildung führte), bereiste 1863 die Vereinigten Staaten von Amerika und war 1872 in Marokko und auf den Kanarischen Inseln. Bei der Fahrt nach Japan kam er 1873 auch nach Ägypten. 1893 besuchte er die Weltausstellung in Chicago im staatlichen Auftrag als Preisrichter. 1897 nutzte er den Besuch beim internationalen Geologenkongress in St. Petersburg, um ins russische Turkestan und nach Samarkand zu reisen.
Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Expeditionen hat Rein in zahlreichen Abhandlungen, Monografien und Handbüchern publiziert; sein Hauptwerk ist: Japan nach Reisen und Studien (1881 u. 1886).
Verständigung, die Ländergrenzen überschreitet, ist die Grundlage für internationale Freundschaften. Auch Rein gehörte zu den Persönlichkeiten, die durch ihr Wirken einen entscheidenden Beitrag für die Entwicklung der deutsch-japanischen Freundschaft geleistet haben. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass bei der internationalen Konferenz zum dreißigjährigen Bestehen des Verbandes der Japanisch-Deutschen Gesellschaften, die im Mai 2018 in Kanazawa stattfinden wird, auch eine Exkursion in den Bezirk von Kuwajima und Shiramine am Hakusan durchgeführt wird, bei der Reins Verdienste gewürdigt werden.

Jürgen Schwalm


Samstag, 13. Januar 2018

Japanisches Lied

Jürgen Schwalm: “Japanisches Lied”, Hinterglasmalerei, 2005


Bei seiner Japan-Forschungsreise in den Jahren 1873-1875 sammelte mein Urgroßvater Prof. Dr. Johannes Justus Rein (1835-1918) zahlreiche Kunst- und Kunstgewerbeartikel. Einen Teil der Sammlung erbte meine Mutter mitten im Krieg 1943. Als elfjähriger Junge war ich von den Exponaten hingerissen. Da gab es z.B. ein Rollbuch mit der Darstellung eines Reiseweges, das mit roten Fäden verschnürt war. Ebenso lieb und teuer war mir ein Schreibzeug, eine Lackarbeit mit vielen Fächern. In ihm lag auch ein schwarzer Stein zum Aufschwemmen der Tusche. Auf dem schwarzen Lackdeckel schoben sich goldene Bambusstäbe vor eine blutrot sinkende Sonne. Die Japansammlung ging später in den Kriegswirren verloren. Viele leidvolle, einschneidende Ereignisse folgten. Doch eines Tages durfte ich wieder erwachen. Ich wunderte mich darüber, dass mein Herz mit neuer Zuversicht weiterschlug und wie jung es doch geblieben war; da hatte ich gerade meine Freundin Christel gefunden, die dann auch meine Frau wurde. Wir studierten beide Medizin in Kiel. Eines Tages kamen japanische Studenten an die Universität und brachten Seidenbilder mit, die sie zum Kauf anboten. Ich wollte unbedingt ein Bild erwerben und wählte das Motiv „See am Abend“. Auf dem Bild standen Schriftzeichen. Ich fragte einen Studenten nach ihrer Bedeutung. Er lächelte mich an, verbeugte sich und sagte: „Gutes“. Da führte der Weg aus der Vergangenheit in die Gegenwart, da trafen die Erinnerungen auf mein lebendiges Glück, und es entstand mein „Japanisches Lied“:



Japanisches Lied

für meine liebe Frau

Der Abend malt die Nacht auf Seide,
er sinnt am Lied der Dämmerträume
und läuft nun von den dunklen Ufern
so wolkenzart wie Tusche aus.

Zu einem Buch füg ich die späten Bilder
und fass es ein mit roten Fäden,
und schenk es dir mit Silberflötenschall
an einem Abend, der wie heute gleitet.

Ich reib noch Farben selbst auf schwarzem Stein
und schreib auf jedes Bild ein einz’ges Wort,
aus meinem Herzen strömt für dich dahin,
was alle Nacht als Hauch durchdringt.

Wo du das Buch entrollst, wirst du das Zeichen lesen
und singst mein Lied vom Bambusholz im Wind.

Jürgen Schwalm
 




Donnerstag, 4. Januar 2018