Freitag, 27. Mai 2022

Chanson

Der Flieder-Strauß. Foto: Jürgen Schwalm

 

Jürgen Schwalm 

Chanson 

 

Wenn der weiße Flieder

wieder blüht,

sing ich dir mein schönstes Liebeslied …

Ja, ja, jeden Frühling die gleiche, aber liebe Leier.

Doch kommt ein Abend wie heute,

 dann  fallen wir aus falschen Sternen von der Luftschaukel,

dann landen wir unter unserem Praterbaum,

der steckt den Mond an über unserem Bierdurst

und die Kastanienkerzen über der Würstchenbude.

Willst du nicht jetzt und hier

mit mir

im glücklichen Windlicht treiben?

Was schert uns der morgige Tag?

Diese Nacht schlägt sehr viel Schaum

und lässt sich aus dem Strohhalm saugen.

Wenn der weiße Flieder

wieder blüht,

sing ich dir mein schönstes Liebeslied.

Alles reimt sich schon lange vor dem Schluss

immer wieder

im weißen Flieder

mit Genuss

am besten auf Kuss.

(aus: Archaische Träume, 1980)

 

 

 

 

Freitag, 20. Mai 2022

Notizen zur Stadt- und Kulturgeschichte Lübecks VI


 
Die Schlacht am Lübecker Burgtor 1806 in einer zeitgenössischen Zeichnung, reproduziert in Johannes Klöcking: 800 Jahre Lübeck, Lübeck 1950, und auf einer Reliefplatte von Walther Jahn (1903-1965) am östlichen Durchgang des Lübecker Burgtores, Foto: Jürgen Schwalm

 

Notizen zur Stadt- und Kulturgeschichte Lübecks VI 

Aus:
Hundert Ausflüge in Lübeck*s Umgegend nebst Führer durch die Stadt Lübeck
Dritte verbesserte und durchgesehene Auflage
Verlag von Edmund Schmersahl Nachf. (Rich. Brunn) Lübeck 1899
4. Route Marli - Brandenbaum - Palingen - Schönberg


(Fortsetzung des Berichtes der Schlacht um Lübeck 1806)

… Zu dieser Zeit wateten französische Scharfschützen am Ufer der Wakenitz entlang, drangen in der Gegend vom Tivoli-Theater in die Stadt und nahmen die Preußen im Rücken, während die von Außen her Angreifenden sich des Thores bemächtigten. Der Herzog von Braunschweig-Oels sah sich genötigt, seine übermächtig gedrängte Infanterie durch das Burgthor zurückzuziehen und der Feind ging rasch nach, fuhr Geschütze unter der Thorwölbung auf und kartätschte. In die Straße hinein. Das furchtbare Wirrsal eines Stadtgassengefechtes hebt an. Blücher stürzt in den Sattel, sprengt rasend auf den Marktplatz, setzt sich an die Spitze der dort aufgestellten Reserve, führt sie auf die Breite Straße, dringt bis auf den Kaufberg und wirft Alles über den Haufen, was er vor sich findet. Auch die Burgstraße wird durch den Blücherschen Stoß  und das wohlgezielte Feuer der York’schen Jäger wieder von den Eindringlingen gesäubert. Gleich darauf wird York [Ludwig Yorck von Wartenburg, 1759-1830] selber lebensgefährlich verwundet, Scharnhorst [Gerhard Johann David Scharnhorst, 1755-1813] auf dem Markt gefangen. Der Feind dringt in alle bestürmten Thore, bedroht auch die einzigste Rückzugslinie durch das Holstenthor. Es war aus. Blücher schlug sich durch über Schwartau bis Ratekau, wo er im Pastorat abstieg. Am 7. November hatte er nur noch 6000 übermüde abgerissene Soldaten ohne Proviant und Schießbedarf und für die hinfälligen Pferde kein Futter. In dieser Lage, bedrängt von 36000 Franzosen nahm Blücher die abermals von Bernadotte angebotene Kapitulation mit der Bedingung an, dass die Preußen mit allen Kriegsehren die Waffen niederlegen und sich gefangen geben, ihr Privateigentum aber behalten sollten. Blücher bestand darauf, in der Kapitulationsurkunde seiner Namensunterschrift die Worte hinzuzufügen: „Ich kapithullire, weill ich kein brot und keine Muhnition nicht mehr habe.“ (Scherr: „Blücher, seine Zeit und sein Leben“, Asmus: „Grundlinien der Lübischen Geschichte“).

(Ergänzungen in eckigen Klammern: Jürgen Schwalm)

 

 

 

 

 

Freitag, 13. Mai 2022

Notizen zur Stadt- und Kulturgeschichte Lübecks V

Isaac Francois Egmont Comte de Chasot (1716-1797), Stadtkommandant von Lübeck ab 1759, erwarb von der Familie Brömbse den „Ackerhof“ an der Wakenitz und baute das insgesamt 13 Hektar große Anwesen zu einem Gut mit Gärten, Obstplantagen, Fischteichen und sogar für die Seidenraupenzucht aus, das er nach Schloss Marly-le-Roi „Marli“ nannte und das zur Keimzelle des Lübecker Stadtbezirkes Marli wurde. Das ehemalige Verwaltergebäude stand noch im 19.Jh. an der Ecke Marlistraße /v.Hövelnstraße. Alle Gebäude und Anlagen des Gutes Marli wurden beim Ausbau des Stadtbezirkes abgerissen. Auf dem Lübecker Stadtplan von 1872 ( Fotokopie Stadtarchiv Lübeck) sind noch Teile des Anwesens eingezeichnet. Weitere Dokumente, das Gut Marli betreffend, befinden sich nicht mehr im Stadtarchiv.   


 

Notizen zur Stadt- und Kulturgeschichte Lübecks V

Aus:

Hundert Ausflüge in Lübeck’s Umgegend nebst Führer durch die Stadt Lübeck
Dritte verbesserte und durchgesehene Auflage
Verlag von Edmund Schmersahl Nachf. (Rich. Brunn) Lübeck 1899

 

4. Route. Marli –Brandenbaum – Palingen – Schönberg

Vor dem Burgthore biegt man rechts in die Roeckstraße ein. Bei der Straßengabelung am Ende der Straße wendet man sich rechts. Nach 2 km geht der Weg nach dem Hofe Marli ab. Von der Straße hat man stets prächtige Aussicht über die Wakenitz hin auf Lübeck.

Man übersieht hier die ganze Angriffslinie, in welcher die Franzosen am 6. November 1806 den Kampf mit Blücher in Lübeck aufnahmen. Blücher hatte nach der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt (14. Oktober 1806) sein Heer durch Mecklenburg geführt und auf diesem Rückzuge die Franzosen 21 Tage lang unter fortwährendem Plänkeln auf den Fersen gehabt, wodurch ihm in wenig Tagen 5000 Mann, darunter viele durch Hunger und Erschöpfung, verloren gingen. Der Plan einer Rückwärtsbewegung über die Elbe ward daher aufgegeben und hinter den alten Lübecker Festungswerken ein Ruhe- und Erholungsplatz für die erschöpfte, noch 21000 starke Mannschaft gesucht. Am 5. November Nachmittags sprengte Blüchers Avantgarde durch das gewaltsam geöffnete Thor in die Stadt; die drei Bataillone des Herzogs [Friedrich Wilhelm] von Braunschweig-Oels [geb. 1771, gefallen 1815 in der Schlacht von Quatre-Bras] und die leichte Brigade des Generals Oswald waren zur Deckung des Burgthores aufgestellt. Blücher hat sein Hauptquartier am Kaufberg im Heiligen.Geist-Hospital aufgeschlagen, Reiter und Fußvolk füllten den Markt. Die Franzosen rückten am 6. November vor die Stadt. Sehen, Recognosciren und Angreifen war Eins. [Jean-Baptiste] Bernadotte [1763-1844] stürmte das Burgthor, [Nicolas Jean-de-Dieu] Soult [1769-1851] das Mühlenthor, [Joachim] Murat [1767-1815] das Hüxterthor. Mehrere Stunden wütete das Gefecht mit mörderischer Heftigkeit, und nachdem Blücher an der Spitze etlicher Husaren-Schwadronen aus dem Mühlenthor hervorgebrochen, die dort herandrängenden feindlichen Reitermassen blutig zurückgeworfen hatte, wurden sämtliche drei bestürmte Thore bis 1 Uhr Mittags gehalten.

(der Bericht wird fortgesetzt)

Anmerkungen in eckigen Klammern: Jürgen Schwalm

 

 

 

 

Freitag, 6. Mai 2022

Kehraus - Anno Dazumal

Jürgen Schwalm: „Très chic“, Hinterglasmalerei, 2006
 

 

Zum 30. April 2022 hatte Jürgen Schwalm Freundinnen, Freunde und Weggefährten in den Lübecker Ratskeller zu einem Frühlingsfest eingeladen. Bei der Organisation stand ihm Marina Warnick hilfreich zur Seite. Die Veranstaltung begann mit einem Konzert mit Martina Tegtmeyer (Akkordeon), Jan Baruschke (Violine) und Jürgen Schwalm (Rezitation). Es folgte ein Festessen („Buddenbrook-Menü“) im Kapitänszimmer. Zum Abschluss des Konzertes brachte Schwalm sein Gedicht

 

Kehraus-Anno Dazumal

 

Drei Masken tanzen Terzett

auf dem Hinterhof an einem Frühlingsabend warm wie Öl

und keiner will ins Bett.

Da gleitet die Drehorgel aus und die Geige spielt sich wund

und die Hunde finden es nett

und das Publikum wiegt sich im Takt.

Die Sonne verzieht sich

und der Mond macht sich‘s gemütlich.

Frau Schmidt wirft im Unterrock

eine kleine Münze aus dem Fenster im dritten Stock herunter

und Frau Meier aus dem vierten den Hausschlüssel

für ihren Sohn Karli

denn wenn der erst einmal aus dem Haus ist

und wann das ganze Programm aus ist

wissen die Nachteulen

 die mit der Drehorgel heulen

 auch nicht zu sagen.

Die niedlichste Maske wird dem Karli schon willig.

 Pass auf mein Lieber das wird nicht billig

doch der Schutzmann Scharf

 der nicht mittanzen darf

 verhindert Karlis schönsten Kuss

 mit einem energischen: „Schluss mit der Feierei!“

Au wei!

Da geben alle die Alten und die Jungen

 notgedrungen

 endlich Ruh

 und Frau Schmidt knallt das Fenster zu!