Foto: Jürgen Schwalm, 2019 |
Der Knauf-Kopf
Kürzlich
schlenderte ich durch Lauenburg an der Elbe und bewunderte die alten oft
liebevoll restaurierten Fassaden der Häuser. Als ich das oben abgebildete
Ensemble sah, den Kopf am Knauf des Geländers und den Klingelzug bei der
Haustür, fiel mir als Folge einer alchemistischen Gedankenreaktion sofort „Der
goldene Topf“ von E. T. A. Hoffmann ein, das wohl schönste Kunstmärchen der
deutschen Romantik.
Der
Studiosus Anselmus will das Haus des königlichen Archivarius Lindhorst
betreten, aber der Archivarius ist eigentlich ein großer Geisterfürst aus dem
wunderbaren Geschlecht der Salamander und besitzt ein Rittergut in Atlantis,
dem Reich der Phantasie und der Poesie. In den Kampf des Geisterfürsten für die
Schönheit und gegen die schnöde Bosheit der Realität wird Anselmus auf
merkwürdige Weise einbezogen.
Wie
Anselmus eben die Hand erhebt, um den Türklopfer zu bedienen, verwandelt sich
dieser in die höhnisch grinsende Fratze einer teuflischen Frau, die im Verlauf
der magischen Handlung immer wieder ihre Daseinsform wechselt. Als Tochter
eines Flederwisches und einer Runkelrübe ist sie das feindliche Prinzip, das
als Apfelverkäuferin, Kartenlegerin oder als Kinderfrau agiert, aber auch als
Kaffeekanne die Gespräche junger Mädchen belauscht oder sich in einen
Türklopfer verwandelt.
Zwar
hat E. T. A. Hoffmann die Handlung in Dresden angesiedelt, aber bei derart
krausen Verwicklungen sei es dem Kopf doch gestattet, sich auch auf einem
Geländerknauf in Lauenburg zu präsentieren, zumal beide Orte an der Elbe
liegen.
Ach,
liebe Freundinnen und Freunde, lesen Sie den Goldenen Topf, und wenn Sie früher
schon daraus genascht haben, lesen Sie ihn noch einmal bis zum Happy End, das
man hübscher nicht erfinden kann: „Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit
etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller
Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbart?“
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