Freitag, 12. Januar 2024

Der Mann

Carl Friedrich Pockels: Der Mann. -  Foto des Titelblattes eines Exemplars des Werkes aus dem Jahr 1805 in der Bibliothek von Jürgen Schwalm

 

 

Vor Jahrzehnten wurde ich von meiner Freundin Eva Schwieger mit einem für die heutige Zeit kuriosen vierbändigen Buch beschenkt:

Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts. Ein Gegenstück zu der Charakteristik des weiblichen Geschlechts. Von Carl Friedrich Pockels, Herzogl. Braunschw. Lüneburg. Hofrathe, Canonicus des Stifts St. Blasii zu Braunschweig.  Hannover, in der Ritscherschen Buchhandlung, 1805 - 1808.

Karl Friedrich Pockels ( 1757-1814) war Erzieher der beiden jüngsten Söhne des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (1735-1806). Pockels verfasste populäre psychologische und pädagogische Werke, u.a. zur Kinderpsychologie und zur Psychologie der Geschlechter. Vorangegangen war der Versuch einer Charakteristik des weiblichen Geschlechts. Ein Sittengemälde des Menschen, des Zeitalters und des geselligen Lebens (1797-1801).

Es folgt hier ein Zitat aus dem 1. Band Der Mann:

Die Geschichte älterer und neuerer Zeiten nennt uns eine Menge Helden und unsterblich großer Männer, deren bewunderungswürdiger Thaten- und Denkgeist in eine kleinliche , zartgebauete Körperform eingeschlossen war, und von der Zerbrechlichkeit seines Wohnhauses nicht wenig dulden musste. Überhaupt scheint auch nur mittelmäßige Größe des Körpers dem höhern Genie günstig zu seyn, und die Region derselben unter männlichen Colossen auf eine auffallende Art zu verschwinden. Die physische Schwerfälligkeit und Langsamkeit der letztern geht meisten Theils auch in ihre Denkkraft und ihren Charakter über, und die Natur scheint sie mehr zur Parade, als zur Verherrlichung ihrer thätigern Kräfte, hingestellt zu haben. Als Gelehrte sind sie gemeiniglich nur – Magazinköpfe, Sammler, Lexicographen, vielleicht sehr fleißige Arbeiter; aber unendlich selten – scharfe Selbstdenker. Als Krieger trauet man ihnen nicht viel Muth zu, - weil dieser mit einer gewissen Leichtigkeit und Schnellkraft des Körpers in Verwandtschaft steht, und weil sie aus eitler Vorliebe für den hoch hervorragenden Körper zu sehr seine Verstümmelung fürchten. Als Ehemänner sind sie fast immer die passiven Sclaven ihrer Frauen, weil jene Riesen gemeiniglich von einer sehr materiellen Sinnlichkeit beherrscht werden, und aus Mangel eigener Bewegbarkeit sich gern bedienen lassen, wodurch ihre eigene Dienstbarkeit nur desto entschiedener wird. Als Menschen überhaupt sind sie nicht selten fade, langweilige und weibische Figuranten, die überall, vermöge ihrer Riesenfigur, - und allein durch dieselbe, die Herzen der Weiber zu gewinnen glauben; aber gemeiniglich von diesen im Hintergrunde belacht werden. – Es ist hier der Ort nicht, die übrigen Eigenthümlichkeiten dieser Menschen, - ihre Neigung zum Possierlichen und Comischen, selbst in Miene und Geberdung, (worin sie mit zu kleinen Körpern viel Ähnlichkeit haben) oder auch das andere Extrem, - die Huldigung fordernde Feyerlichkeit ihres Äußern, in so fern es von der Plumpheit ihrer Körpermasse und des Geistes hervorgebracht wird, zu erläutern. In allen Fällen scheint die Natur für die zart gebaueten Organisationen mehr, als für ihre - Flügelleute gesorgt zu haben.          

Jürgen Schwalm

 

 

 

 

 

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