Jürgen Schwalm
Eine Berglegende
Vor dem Wald lagen die Wolken als Himmelbett für die Schafe und die Sonne schien aus Gottes rechtem Augenwinkel - Die Sommerwiese blühte ins Blau - Du rochst nach Honig und Klee - Es tropfte vom Eis der Firne - Von deinen Augen floss die Wasserschale über -Blaubeeren wuchsen zwischen deinen Fingern die Hänge hinab - Hexen strickten im Halbschatten Strümpfe für die Mücken aus Spinnweb - So waren alle deine Märchen
Als der Abend ging zur Ruh
Kam ein Fiedler hergezogen
Strich den harzbetränten Bogen
Deine Tiere hörten ganz verzaubert zu
Tratst du barfuß auch herzu
Bist im Liede aufgeflogen –
So waren alle deine Märchen - ohne alle Tücken - Sterne unschuldiger Kinder – Aber ich habe dir Wasser und Erde abgefordert als Zeichen deiner Übergabe – stach dir die Seitenwunde – da goss die Liebe aus – Um unsern Hals war nun der Kettenring gelegt der uns verschloss und unsre Haustür vor den Späherblicken – Ich fraß mich in die Wände unsres Hofes ein – Kein Wetter konnte mich dort mehr auswaschen – Du stelltest noch immer Blumen auf den Tisch – doch jetzt mit Thymian und Frauenmanteltee zum abgebrühten Seelenheil im Winkel – Altbackene Abendstunden in denen wir glücklich sein mussten – wir hatten keine Wahl – nur eine Last die krümmt – Es schärfte sich das Messer unserer Lieder – Ich sah den Tod im roten Hut aus Mohn – der fuhr bergan im Knochenschlitten – aber es war heiß - hatten meine Sorgen ein schwarzes Kreuz aus Eisen geschmiedet – das stand auf kargem Acker - und unsre Hände wurden Fichtenborke – Du wolltest mir noch einmal einen Tag heraufreichen – Eben hielten deine Hände noch den Holzkorb – nun sind sie so hilflos leer – nur noch Gebet aufgerichtet vorm Wald am steinigten Weg – auf dem ich das letzte Mal heimkehren werde – Vogel um im Nest zu sterben
Wenn der Abend geht zur Ruh
Kommt ein Fiedler hergezogen
Streicht den harzbetränten Bogen
Meine Tiere hören ganz verwundert zu
Tret ich barfuß auch herzu
Wird das Lied bald nicht mehr singen
Wird mein Herz wie Glas zerspringen –
(Der Text wurde in automatischer Schreibweise nach einem Traumbild verfasst: Ich sah auf einer nach Thymian duftenden Sommerwiese einen Schlitten; als ich näher kam, entdeckte ich mit Erschrecken, dass er aus zusammengebundenen Menschen (?) – Knochen bestand. – Der Text wurde erstmals veröffentlicht in: Jürgen Schwalm, Heinrich Schwieger-Uelzen, Eva Schwieger von Alten: Schwingen, Breit-Verlag 1984)
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