(Foto: Gisela Heese) |
Ludwig II von Bayern, Gemälde von Ferdinand Piloty (1828-1895) |
Jürgen Schwalm
Ludwig II
König der Bayern
Dies Bild lebt immer fort
tief im Gebirg in den Hütten,
wo die frommen Leut
den Herrgottswinkel im Auge behalten
und den einsamen König weiter verehren,
wie er im nächtlichen Schlitten
noch immer durch den dunklen Tann fährt,
allein mit seinem Herzensgeheimnis
und seinem grenzenlosen Heimweh,
dort, wo winters der Schnee
sich über die Almen breitet,
als weißes Tuch,
das sie zuletzt auch um seine Bahre gehüllt haben.
In Klangfluten versunken
hatte er sein Leben beendet,
aber seine Schlösser haben ihn überdauert
verschönt durch die Gnade verklärender Erinnerung.
Verwehter Weg, Winterstudie von Alfred Gruber in der Illustrirten Zeitung vom 28. Januar 1932 |
Jürgen Schwalm
Weiße Festung
Stürme halten die Hügel umstellt.
Mein Haus ist zur weißen Festung geworden.
Versiegelt ist das beschriebene Buch meines Lebens.
Die Brücken schneiten ein.
Da kommt doch plötzlich eine Nachricht von dir,
und ich bin nicht mehr sicher vor mir:
Ich spüre voll Glück, dass das Eis in mir schmilzt.
(Urform in: Jürgen Schwalm, Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Gedichte, Verlag Theo Breit, Marquartstein, 1977)
Blauer Vogel, Wandkachel. Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm |
Jürgen Schwalm
Die Liebe ist ein Vogel
(einem niederdeutschen Volkslied nacherzählt)
1. Sie – ein munterer Vogel – hatte sich zu ihm verflogen und saß nun im Käfig
seines Herzens gefangen, denn er hatte dessen Tür schnell zugeschlagen.
2. Wie sie in ihm mit den Flügeln flatterte, wurde ihm ganz sonderbar. Aus Mitleid
öffnete er die Herzenstür noch einmal einen kleinen Spalt; da war sie flugs
herausgeflogen.
3. Er sehnte sich nach ihr und wollte sie wiederbekommen. Sie aber wollte es
vertraglich haben: Sie kehre gern zu ihm zurück, doch müsse seine
Herzenstür am Tag und in der Nacht für sie stets unverschlossen bleiben.
4. Er tat’s und hat
es später schwer bereut, denn die meiste Zeit der Jahre war
sie kaum bei ihm zu Haus gewesen.
(Urform in: Jürgen Schwalm: Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Breit-Verlag 1977)