Freitag, 31. Januar 2025

Weltärztebund - Deklaration von Genf

Jürgen Schwalm: Äskulapstab, Hinterglasmalerei, 2019  



Weltärztebund – Deklaration von Genf

Das ärztliche Gelöbnis

 
Als Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.

Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.

Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.

Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.

Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.

Ich werde meinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis ausüben.

Ich werde die Ehre und die edlen Traditionen des ärztlichen Berufes fördern.

Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern, meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Schülerinnen und Schülern die ihnen gebührende Achtung und Dankbarkeit erweisen.

Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen.

Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.

Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.

Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre.




Freitag, 24. Januar 2025

An der Nordseeküste

 Muschelschalen. Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

 

Jürgen Schwalm

An der Nordseeküste
Dem Grafiker und Maler Hans Rieder in Memoriam


Deine Wimpern
vernäht vom Schlaf langer Qual
sind zerteilt und durchzuckt
vom Küstenlicht aus Himmelszacken.
Dein Erwachen
beißt violett
in die Flanken der Dünen.
Nicht loslassen.
Verzahnt bleiben.
Hänge die Wolken ab
durchbreche den Wogenstrich.
Verwüte deine Farben
im Regen und in Meerwettern.
Ist der Sturm verweint
wird das Salz
von Muschelschalen aufgefangen
wie von geöffneten Händen.


(in: Jürgen Schwalm, Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Breit-Verlag Marquartstein, 1977)








Freitag, 17. Januar 2025

Neuschwanstein, das weltberühmte Märchenschloss des Bayernkönigs Ludwig II, wird 2025 UNESCO-Weltkulturerbe

 

Ludwig II von Bayern, Gemälde von Ferdinand Piloty (1828-1895)


Jürgen Schwalm

Ludwig II
König der Bayern

Dies Bild lebt immer fort
tief im Gebirg in den Hütten,
wo die frommen Leut
den Herrgottswinkel im Auge behalten
und den einsamen König weiter verehren,
wie er im nächtlichen Schlitten
noch immer durch den dunklen Tann fährt,
allein mit seinem Herzensgeheimnis
und seinem grenzenlosen Heimweh,
dort, wo winters der Schnee
sich über die Almen breitet,
als weißes Tuch,
das sie zuletzt auch um seine Bahre gehüllt haben.
In Klangfluten versunken
hatte er sein Leben beendet,
aber seine Schlösser haben ihn überdauert
verschönt durch die Gnade verklärender Erinnerung.








Freitag, 10. Januar 2025

Weiße Festung

Verwehter Weg, Winterstudie von Alfred Gruber in der Illustrirten Zeitung vom 28. Januar 1932


Jürgen Schwalm

Weiße Festung

Stürme halten die Hügel umstellt.
Mein Haus ist zur weißen Festung geworden.
Versiegelt ist das beschriebene Buch meines Lebens.
Die Brücken schneiten ein.


Da kommt doch plötzlich eine Nachricht von dir,
und ich bin nicht mehr sicher vor mir:
Ich spüre voll Glück, dass das Eis in mir schmilzt.


(Urform in: Jürgen Schwalm, Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Gedichte, Verlag Theo Breit, Marquartstein, 1977)





 

Freitag, 3. Januar 2025

Die Liebe ist ein Vogel

 

Blauer Vogel, Wandkachel. Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm


Jürgen Schwalm
Die Liebe ist ein Vogel
(einem niederdeutschen Volkslied nacherzählt)

1. Sie – ein munterer Vogel – hatte sich zu ihm verflogen und saß nun im Käfig
seines Herzens gefangen, denn er hatte dessen Tür schnell zugeschlagen.
2. Wie sie in ihm mit den Flügeln flatterte, wurde ihm ganz sonderbar. Aus Mitleid
öffnete er die Herzenstür noch einmal einen kleinen Spalt; da war sie flugs
herausgeflogen.

3. Er sehnte sich nach ihr und wollte sie wiederbekommen. Sie aber wollte es
vertraglich haben: Sie kehre gern zu ihm zurück, doch müsse seine
Herzenstür am Tag und in der Nacht für sie stets unverschlossen bleiben.
4. Er tat’s und hat
es später schwer bereut, denn die meiste Zeit der Jahre war
sie kaum bei ihm zu Haus gewesen.



(Urform in: Jürgen Schwalm: Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Breit-Verlag 1977)