Freitag, 26. August 2022

Ikaros

Jürgen Schwalm: „Ikaros“, Collage, 2021



Jürgen Schwalm

Ikaros

Nun lass dein buntes Gefieder singen, geliebter Seelenvogel, tiefvertrauter, du, und jage die Wolken für mich in die Flucht. Nimm mir den Nebelwürgegriff vom Hals und zieh mich aus der Betäubung hinauf zum geschliffenen Licht. Deine wilden Schreie dringen auch aus meiner Kehle. Flieg auf und trink die Sonnenschalen leer für mich. Ich war verloren, doch du hast mich gefunden. Du hast mich gerettet und bei dir aufgenommen. Beschwingt waren deine kühnen Schultern, als du mich mit dir in unseren Himmel nahmst. Nie mehr fürchte ich seitdem die Tiefen, weil ich einmal mit dir das Ziel erreichte. Tropfte droben auch das Wachs aus deinen Flügeln, Ikaros, mein Seelenvogel, du, ich ängstigte mich längst nicht mehr, als deine Schwingen auseinander fielen, weil deine Arme mich umschlangen, indem du mit mir abwärts glühtest. Im Sturz trafst du mein Herz als Brandfackel. Wir landeten und waren zu uns heimgekehrt. Der Schatten unserer Lagunenstadt schützt unser Geheimnis: 
Einst werden wir wieder gemeinsam schweben 
im Licht.

 

 

 

 

 








 

 

 

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