Freitag, 21. Juli 2023

Goethe II.

Jürgen Schwalm: Goethe-Diptychon, rechte Tafel: "Der Urvogel". - Hinterglasmalerei, 2011

 

Goethe machte aus seinem Herzen nie eine Mördergrube und äußerte sich in seinen Reiseberichten oft sehr freimütig, was seiner Umgebung nicht immer zusagte. So schreibt er in seiner Italienischen Reise, dass er am Gardasee eine Herberge betrat und den Wirt fragte, wo er denn hier einmal könne? Der Wirt gab mit vager Gebärde den Hinweis: „Da unten!“- Goethe wollte es denn doch etwas präziser wissen und fragte nach: „Wo da unten?“ Der Wirt antwortete: „Überall da unten!“ Das zu berichten, fanden einige Damen seiner Weimarer Umgebung doch reichlich ordinär und degoutant. -  Viele seiner venezianischen Epigramme, über deren harmlose Erotik wir heute lachen, wurden zu seiner Zeit als ungehörig getadelt; und noch zu meiner Jugendzeit wurden die Epigramme als Schullektüre für ungeeignet erklärt. - In der Schule lasen wir alle „bedeutenden“ Gedichte und Balladen Goethes und lernten sie zum Teil noch auswendig, wobei wir sie nicht selten persiflierten. Als ehemaliger Berliner hatte ich große Schwierigkeiten, „mir“ und „mich“ zu unterscheiden, war aber andererseits auch stets bereit, als eifriges Mitglied unseres Schultheaters Gedichte melodramatisch vorzutragen. Dabei erntete ich einmal großes Gelächter, als ich in der Aula unseres Gymnasiums beim Vortrag des Erlkönigs mit Emphase ausrief: „Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mir an! Erlkönig hat mich ein Leids getan!“ - Goethe hat aber auch viele Gedichte in die Gesamtausgabe seiner Werke aufgenommen, die in der Schule keine Beachtung fanden, die ich aber später für mich mit Begeisterung auswendig lernte und noch heute gerne vortrage. Dazu gehörte das Gedicht Beruf des Storches, das heute von den Naturschützern getadelt wird: Der Storch, der sich von Frosch und Wurm /An unserm Teiche nähret, /Was nistet er auf dem Kirchenturm, /Wo er nicht hingehöret? /Dort klappt und klappert er genung, /Verdrießlich anzuhören, /Doch wagt es weder Alt noch Jung, /Ihm in das Nest zu stören. /Wodurch . gefragt mit Reverenz - /Kann er sein Recht beweisen? /Als durch die löbliche Tendenz /Aufs Kirchendach zu ……- Die Frösche: Ein großer Teich war zugefroren; /Die Fröschlein, in der Tiefe verloren, /Durften nicht ferner quacken noch springen, /Versprachen sich aber im halben Traum, /Hätten sie nur nach oben Raum, /Wie Nachtigallen wollten sie singen, /Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz, /Nun ruderten sie und landeten stolz, /Und saßen am Ufer weit und breit /Und quackten wie vor alter Zeit.- Hübsch sind auch die folgenden Gedichte: Schneider-Courage: „Es ist ein Schuss gefallen! /Mein; sagt , wer schoss dadraus?“ /Es ist der junge Jäger, /Der schießt im Hinterhaus. /Die Spatzen in dem Garten, /Die machen viel Verdruss, /Zwei Spatzen und ein Schneider, /Die fielen von dem Schuss; /Die Spatzen von den Schroten, /Der Schneider von dem Schreck; /Die Spatzen in die Schoten, /der Schneider in den –

Geständnis

A.  Du toller Wicht, gesteh nur offen:

      Man hat dich auf manchem Fehler betroffen.

B.  Ja wohl! Doch macht ich ihn wieder gut.

A.  Wie denn?

B.  Ei, wie’s ein Jeder  tut.

C.  A: Wie hast du denn das angefangen?

D.  Ich hab einen neuen Fehler begangen;

      Darauf waren die Leute so versessen,

      Dass sie des alten gern vergessen.

 

Die Auswahl könnte ich noch weiter fortsetzen, doch fordere ich Sie gerne auf, sich selbst auf Entdeckungsreise durch Goethes Gesammelte Werke zu begeben.

                                                                                        Jürgen Schwalm

 


 

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