Freitag, 27. Dezember 2024

Frohes neues Jahr!

Taschenuhr mit Schlüssel und Uhrkette, Repetier-Läutwerk (Viertelstunden-Anzeige), 19. Jahrhundert; auch die Holzschachtel mit der Halte-Vorrichtung für die Aufstellung der Taschenuhr als Weckuhr auf dem Nachtschrank ist Original.- Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

Sollten wir gute Stunden vom Schicksal erhalten,
müssen wir sie mit Umsicht verwalten.
Denn wann die guten Stunden für uns enden,
das lag schon immer in höheren Händen.


J.S.

Allen, die mir im abgelaufenen Jahr hilfreich zur Seite standen,
wünsche ich voll Dankbarkeit für 2025 herzlich alles Gute

Euer Jürgen / Jorgos 

 

 

 

 

 

 


 

Freitag, 20. Dezember 2024

Frohe Weihnachten

 Ein frohes Weihnachtsfest wünsche ich

Ihnen / Euch

Ihr Jürgen / Euer Jorgos

 

"Da haben die Dornen Rosen getragen"

ist eine Zeile aus dem alten Weihnachtslied:

"Maria durch einen Dornwald ging"

 

Jürgen Schwalm: Das Rosen - Konzert,  Fotostudie, 2021

 

Jürgen Schwalm 

Pizzicato


Einmal sereno
einmal serioso
schrieb mein Leben seine Sätze
alle aus einem Motiv,
doch eines Tages
waren es nur noch
Transkriptionen desselben Konzerts.
Aber dann kamst du
in Halbtonschritten;
auf der Cembalopassage
sind wir uns begegnet;
in der Fermate trafen sich
und verweilten unsere Blicke.
Du schenktest mir dein Motiv,
das meine Komposition belebte,
das der Kadenz kein Ende ließ;
und noch immer hören wir
die Violinen unserer Herzen
pizzicato klopfen.

(in: Aus Nimmermehr ein Immermehr, Gedichte,
Verlag Th. Breit, Marquartstein, 1977)

 

 

 

 

Freitag, 13. Dezember 2024

Dreiundzwanziguhrneun

Alter Bahnhof Kirchsteinbek - Foto: Hannah Huber


Jürgen Schwalm

Dreiundzwanziguhrneun

Du kamst mit dem Nachtzug.
Die Dunkelheit löschte die Entfernungen.
Die Signale waren auf Heimkehr gestellt.

Die Bahnhofshalle
rollte den Schienenteppich aus.
Die Lampen bogen sich zum Empfang.

Meine Erwartung
durchbrach die Sperren.
Vorm letzten Zeigersprung
Ankunftszeit dreiundzwanziguhrneun
riefen die Lautsprecher
für mich nur noch
überflüssige Nachrichten aus.
Bei der Einfahrt suchte mich dein Blick.

Als ich ihn fing,
waren alle deine Reisen am Ziel.
 
 
 
 

 
 
 
 
 


 

Freitag, 6. Dezember 2024

S.P.Q.L.

Das Lübecker Holstentor. Stahlstich (um  1850) von Johann Gabriel Friedrich Poppel (1807-1882) nach einer Zeichnung von Georg Michael Kurz (1815-1883), der seit 1845 Mitarbeiter von Poppel in München war. Das Bild entstand in jedem Fall noch vor den Jahren 1853/1854, weil dann die alte steilgebuckelte Holstenbrücke aus dem Jahre 1516 abgerissen und durch eine flachere Brücke ersetzt wurde.-Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

Die lateinischen Buchstaben SPQL (Senatus Populusque Lubecensis = Senat und Volk von Lübeck), die seit 1871 am Lübecker Holstentor angebracht sind, wurden von Anfang an spöttisch, kritisch oder witzig ausgelegt und umgedeutet. Manche Nicht-Hanseaten fanden die Initialen sogar anmaßend und arrogant, hatten die Lübecker sie doch von den Römern geklaut (SPQR = Senatus Pupulusque Romanum) und das R einfach durch ein L ersetzt. - Auch die antike römische Version SPQR ( Senatus Populusque Romanorum) wurde von jeher persifliert, zuletzt durch Comics wie „Asterix und Obelix“: Sono Pazzi Questi Romani (Diese Römer sind Verrückte), Sono Porchi Questi Romani (Diese Römer sind Schweine), aber auch: Sono Potenti Questi Romani. - Gegen die katholische Kirche ausgerichtet war die lateinische Umdeutung: Stultus Populus Quaerit Romam (Nur die Törichten fragen nach Rom). - Papst Johannes XXIII wurde einmal in einem Interview gefragt, warum die Buchstaben SPQR auf dem römischen Wappen stehen. Der Papst sagte: „Ihr müsst die Buchstaben rückwärts lesen und ergänzen, dann wisst ihr es.“ Er sah in ratlose Gesichter. „Nun“, meinte der Papst, „manchmal ist es doch vorteilhaft, die lateinische Sprache zu beherrschen: R Q P S heißt Rideo Quia Papa Sum (Ich lache, weil ich Papst bin.“ - Zurück zu SPQL. In seinem immer noch sehr lesenswerten Roman „Die Großvaterstadt“ erzählt der Schriftsteller Ludwig Ewers (1870-1946) vom Senator und Leiter des Lübecker Polizeiamtes Heinrich Gustav Plitt (1817-1879), dieser sei eigentlich ein ganz netter Mann gewesen, aber wegen der Verfügungen, die er als oberster Ordnungshüter erlassen musste, bei den Lübeckern dennoch nicht beliebt gewesen. Fragte man also damals: „Was bedeuten die Buchstaben SPQL?“, konnte man oft die Antwort hören: „Senator Plitt Quält Lübeck“. Daraus wurde vor einigen Jahren in einem Leserbrief an die Lübeckischen Blätter: „Schlechtes Pflaster Quält Lübeck.“

Jürgen Schwalm

 

 

 

 

 

Freitag, 29. November 2024

Unter der Brücke

Jürgen Schwalm: Lampen im Nebelkleid, Lichtstudie, 2021

 

 Jürgen Schwalm

Unter der Brücke

Unter der Brücke,
wo die Lampen
in ihr Nebelkleid tauchen,
erwarte ich dich.

Am Uferweg,
zwischen dem Schatten der Sträucher,
zieht schon der Griffel des Abends
deinen Umriss.

Nur noch ein Windhauch,
kurz vom Wasser hergetragen:
Jetzt bist du da.


(aus: Jürgen Schwalm, Nil pluriformius amore,
Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte 2023)

 

 

 

 

Freitag, 22. November 2024

In Memoriam Max Ernst

Jürgen Schwalm: Epitaph - In Memoriam Max Ernst (Collage mit Bildmotiven von Max Ernst), 2021

 

Jürgen Schwalm

In Memoriam Max Ernst
(1891-1976)

Als der Himmel die Erde um die Hand anhielt,
war es keine Schande mehr, mondsüchtig zu sein.
Faune tranken die Wahrheit des Absinths,
da bebten die Äolsharfen wieder.

An der Traumschmiede warteten Vogelgeschwister.
Wir spannten sie vor Wagen, die aus Glas gekeimt waren.

Durch Federwälder fanden ihre Räder
wieder die Pfade zum Paradies.
Die Vögel liehen uns ihre Flügel,
und wir schwangen uns ins Sternengelächter.



(in: Jürgen Schwalm, Aus Nimmermehr ein Immermehr, Breit-Verlag Marquartstein, 1977)

Freitag, 15. November 2024

Friedrich Hölderlin

Friedrich Hölderlin (1770-1843) mit 70 Jahren. Wachsrelief von Wilhelm Paul Neubert (1808-1895)


Jürgen Schwalm


Hölderlin

Immer: Schwanengesänge.

Immer: Mitbangen

um die letzten miteinander verbundenen Worte.

Die leichten Brücken

werden langsame Stege.

Immer: Fürchten

dass die Klänge nicht mehr tragen

wenn er unter der Glocke dann herabgeht

jene Treppen

in den versunkenen Sinn.

Und doch: Kein Abschied

weil er wiederkehrt.



(in: Jürgen Schwalm: Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Verlag Th. Breit, Marquartstein, 1977)

 

 

 

 

 

Freitag, 8. November 2024

Regimen Sanitatis Salernitatum

Als ich das Studium der Medizin in Freiburg / Breisgau begann, wohnte ich, um Geld sparen zu können, bei meiner Großmutter Erna Dragendorff. 1953 absolvierte ich das Physikum, und bei diesem Anlass schenkte mir meine Großmutter ein Buch aus der Bibliothek meines Urgroßvaters Georg Dragendorff (1836-1898, seit 1864 Professor der Pharmazie an der Universität in Dorpat = Tartu / Estland).

Der 1605 in gepunztes Leder (Abbildung 1 und 2) eingebundene, lateinisch abgefasste, 1594 gedruckte Band ist eine Bearbeitung des REGIMEN (=Handbuch) SANITATIS SALERNITATUM des Arnaldus von Villanova.

Villanova (1235 – 1311) kam als Sohn einfacher Leute in Valencia zur Welt, wurde in einem Dominikanerkloster erzogen und absolvierte seine Studien der Medizin in Montpellier und Paris; später praktizierte er als Arzt in Barcelona, um dann sowohl in Paris als auch in Montpellier zu wirken. 1295 kam er an den päpstlichen Hof in Rom, wo er die Gunst Bonifatius III errang und diesen von einem Leiden befreite. Wegen seiner politischen und theologischen Schriften wurde er jedoch immer wieder vom Klerus angefeindet. Jedoch verstand er es, in den Diensten der Könige Jakob II (der Gerechte = Jaime el Justo, 1267-1327, 1291-1327 König von Aragonien) und Robert von Anjou (1278-1343, von 1309-1343 König von Neapel) schwierige diplomatische Probleme zu lösen und gelangte später bei Friedrich dem Schönen (1289-1330, ab 1314 römisch-deutscher König) aus diesen Gründen zu hohen Ehren. Sowohl als Diplomat wie auch als Arzt und theologischer Schriftsteller war er eine kraftvolle faustisch anmutende Vollnatur mit universellen Kenntnissen.

Bei dem REGIMEN SANITATIS SALERNITATUM handelt es sich um eine Sammlung von Versen, meist in lateinischer Sprache. Vermutlich waren Mönche die Urheber dieser vielfach in Hexametern verfassten Gesundheitsregeln, medizinischer und diätetischer Vorschriften. Arnaldus von Villanova soll diese Verse in Salerno / Italien gesammelt haben. Die Ärzteschule von Salerno war schon früh durch Heilquellen und Kräutergärten berühmt. Die aus einem Kloster entstandene Schule, ursprünglich von den Franken gegründet, entwickelte sich zu eine Disciplina, einer Art Universität, zu der auch Frauen zugelassen waren. Die sinnenfreudige, naturverbundene Mentalität dieser Zeit klingt im heiteren Ton der Verse des Handbuches wider, das kein ausgesprochenes Kräuterbuch ist, jedoch durch die vielen Hinweise auf die Verwendung von Heilpflanzen als Vorläufer der Kräuterbücher interessant ist.

Hier folgen zwei Hexameter-Zitate aus dem REGIMEN SANITATIS SALERNITATUM: Contra vim mortis, non est medicamen in hortis (=frei übersetzt: Gegen die
Übermacht des Todes ist kein Kraut gewachsen) Ne mictum retine, ne comprime fortiter anum! (frei übersetzt: Pinkele viel und kneife den Arsch nicht zusammen = kacke viel!)

„Bereits im zehnten Jahrhundert wird in Salerno auf hohem Niveau Medizin gelehrt. Hundert Jahre später verbindet die Medizinschule als erste in Europa eine geregelte ärztliche Ausbildung mit einem öffentlichen Gesundheitswesen. Ärzte, die an der Schule lehren, haben oft auch staatliche Ämter inne. Man entwickelt neue Lehrmethoden wie den Kommentar und das Streitgespräch. Im 12. Jahrhundert findet die Medizin zusammen mit den Fächern Wetterkunde und Physik einen Platz in der Naturwissenschaft. In Salerno entsteht das Bild des gelehrten Praktikers, der erst nach den Ursachen einer Erkrankung sucht und dann behandelt. Ohne theoretische Kenntnisse ist man einfacher Wundarzt und darf sich nicht ‚practicus‘ nennen. In Salerno entstehen viele bedeutende Werke zur Arzneimittellehre. Ein pharmazeutisches Standardwerk der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ist das ‚Antidotarium‘ von Nicolaus von Salerno. Er reduziert die Anzahl der Präparate und schlägt ein einheitliches Gewichtssystem zur Portionierung von Arzneimittelbestandteilen vor. 1317 vollendet Matthaeus Silvaticus sein ‘Opus pandectarum medicinae‘, ein Lexikon der Heilmittel aus einem einzigen, meist pflanzlichen Wirkstoff. Da ist der Stern der Medizinschule bereits gesunken. Zwar besteht die Universität in Salerno bis 1812, doch im Zuge weiterer Universitätsgründungen in Europa verliert sie den Anschluss und verschmilzt mit der Universität von Neapel.“ (Christof Goddemeier im DÄ vom 10. Januar 2011)

Die Ausgabe des „Regimen Sanitatis Salernitatum“ von 1594, die ich besitze, wird zusätzlich als (übersetzt) „Anweisung, wie man eine gute Gesundheit erhalten kann“ bezeichnet und folgt einer gründlichen Bearbeitung des Villanova-Textes durch Johannes Curio, geb. 1512 in Rheinberg, gest. 1561 in Erfurt, der als Arzt, Stadtphysikus und Hochschulprofessor an der Universität in Erfurt tätig war.

Jürgen Schwalm

 

 

 

 





 

Freitag, 1. November 2024

Spanischer Tanz


Manuel Moreno, Pressefoto, 1990  

 Jürgen Schwalm
Spanischer Tanz
(in honorem Manuel Moreno)

Rhythmus aus Staub getrommelt -
Wenn der Bogen
von gespannter Sehne
den Pfeil entlässt
schlagen die Stiefelabsätze auf -
Zurückgestampft und gezüchtigt
wird der klappernde Wirbel
jäh unterbrochen
und das Opfer beschworen -
Die Strenge reizt zur Ekstase
aber die Hände
leugnen die Absicht nie
sie flattern
locken
fordern
kreisen ein
packen zu
halten fest
und siegen


(Urfassung in: Jürgen Schwalm,
Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Verlag Th. Breit, Marquartstein, 1977)

 

 

 

Freitag, 25. Oktober 2024

Von Küssen und vom Küssen

Die beim Küssen mobilisierten Gesichtsmuskeln. Klapptafel in Friedrich Eduard Bilz (1842-1922): Das neue Naturheilverfahren, 100. Auflage, Leipzig, 1900. Foto aus einem Exemplar des Buches in der Bibliothek von Jürgen Schwalm     


 Von Küssen und vom Küssen / Das Buch der Küsse


Das Kuss-Thema war immer aktuell. In der „Lübecker Zeitung“ vom 19. Dezember 1849 annoncierte Ernst Willkomm, damaliger Redakteur der Zeitung, mit fetten Lettern sein Buch der Küsse. Der Termin war geschickt gewählt; Küsse werden gerne ausgetauscht unterm Weihnachtsbaum. Aber wem sollte das Buch geschenkt werden? Einer jungen Braut als erotische Gabe? Einem pubertierenden Jüngling? Einem Lustgreis? In der Anzeige wurden 33 verschiedene Kuss-Arten wie ein Süßwaren-Sortiment angeboten, und das auch noch in alphabetischer Reihenfolge. Wässert Ihnen nach diesem Hinweis schon der kussbereite Mund? Dann überfliegen Sie doch bitte sogleich folgende Kuss-Liste: Ahnungs-, Andachtskuss, Begeisterungskuss, Engels-, Erdenkuss, Freundeskuss, Geistes-, Glaubens-, Glückeskuss, Himmels-, Hoffnungskuss, Jugendkuss, Lebens-, Leidens-, Lenzes-, Lichtes-, Liebeskuss, Mädchen-, Mutterkuss, Sanges-, Schmerzes-, Segens-, Sehnsuchts-, Sonnen-, Sternenkuss, Todes-, Traumeskuss, Vater-, Versöhnungskuss, Wahnes-, Weihe-, Wunscheskuss, Zweifelskuss. 

Entweder rufen Sie jetzt: “Aufhören, aufhören!“ Oder Sie fragen: „Wo bleiben denn die Küsse unter den Buchstaben C,D,I,K,N,O,P,Q,R,U,X und Y?“ Oder Sie sagen: „Da fallen mir unter den Buchstaben ja ganz andere Kussarten ein!“ Wahrscheinlich sind Sie enttäuscht: Sie hätten herzlich gerne pikantere Varianten in der Liste entdeckt, nicht wahr? Geben Sie es doch zu: Die Liste hätte gerne unanständiger sein dürfen.


Lassen Sie mich ein Zitat anbringen: „Die Sitte des Küssens geht wahrscheinlich von der Vorstellung aus, dass bei der Berührung der Lippen oder Nasen ein Austausch der im Atem gedachten Hauchseelen stattfindet. Älter als der Lippenkuss ist allem Anschein nach der Nasen- oder Schnüffelkuss.“ – Wer hat sich das denn ausgedacht?, werden Sie fragen. – Nein, der Herr Willkomm war es diesmal nicht. Die Zeilen stehen auch nicht in einem Witzblatt, sondern im etymologischen Duden von 1989. Da sieht man’s mal wieder:

Alle Sachen,

die Spaß machen,

werden von Literaten

verbraten und verraten,

und die Wissenschaftler erbauen ihnen ein Logis

in einer -Logie (in diesem Falle in der Etymologie).

Aber was hat ein schöner Kuss denn eigentlich in den Wissenschaften verloren? Dass wir
über das Küssen reden müssen, das muss nicht sein. Doch eins muss sein:

WIR MÜSSEN KÜSSEN!


PS: Der Tag des Küssens ist übrigens der 6. Juli.

 

 

 

 

 

Freitag, 18. Oktober 2024

Daphne

Renée Sintenis (1888-1965): "Daphne", Bronze vergoldet, 1930, Behnhaus Lübeck. Foto: Johannes Grenda 1992

 

 

Jürgen Schwalm

 

Daphne

 

Schwellende Angst

hemmt den Fluchtweg –

Die Landschaft wird zur Arena

auf der sie keine Zuflucht findet

um sich zu verbergen –

Die Sonne wirft über Apoll

die Protuberanzen der Leidenschaften –

Aus dem Schwindel des Windkreisels

zündeln die Stacheln seiner Gier –

Über Daphnes Stirn

schwebt das Schwert des beschlossenen Urteils –

Schon strauchelt sie im Sturz

weil die Umklammerung wurzelt –

Wie der Schleier ihrer Haare

den kleinen Tod der sie erwartet fürchtet

gerinnt die Zeit –

Ihre Arme verholzen

zur Gitterwehr der Äste –

Die Lippe verborkt –

In Rinde verstockt die Klage

doch schon bereut das Laub




(Erstfassung in Jürgen Schwalm: Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Verlag Th. Breit Marquartstein 1977.

Zur Mythologie: Daphne ist eine Tochter des Flussgottes Peneios in Thessalien. Als
Apollon Daphne vergewaltigen wollte, floh sie. Erschöpft flehte sie zu ihrem Vater,
dass er ihre den Apollon reizende Gestalt verändern möge. Sie wurde in einen
Lorbeerbaum verwandelt. Seither ist der Lorbeerbaum dem Apollon heilig.)