Freitag, 18. Oktober 2024

Daphne

Renée Sintenis (1888-1965): "Daphne", Bronze vergoldet, 1930, Behnhaus Lübeck. Foto: Johannes Grenda 1992

 

 

Jürgen Schwalm

 

Daphne

 

Schwellende Angst

hemmt den Fluchtweg –

Die Landschaft wird zur Arena

auf der sie keine Zuflucht findet

um sich zu verbergen –

Die Sonne wirft über Apoll

die Protuberanzen der Leidenschaften –

Aus dem Schwindel des Windkreisels

zündeln die Stacheln seiner Gier –

Über Daphnes Stirn

schwebt das Schwert des beschlossenen Urteils –

Schon strauchelt sie im Sturz

weil die Umklammerung wurzelt –

Wie der Schleier ihrer Haare

den kleinen Tod der sie erwartet fürchtet

gerinnt die Zeit –

Ihre Arme verholzen

zur Gitterwehr der Äste –

Die Lippe verborkt –

In Rinde verstockt die Klage

doch schon bereut das Laub




(Erstfassung in Jürgen Schwalm: Aus Nimmermehr ein Immermehr,
Verlag Th. Breit Marquartstein 1977.

Zur Mythologie: Daphne ist eine Tochter des Flussgottes Peneios in Thessalien. Als
Apollon Daphne vergewaltigen wollte, floh sie. Erschöpft flehte sie zu ihrem Vater,
dass er ihre den Apollon reizende Gestalt verändern möge. Sie wurde in einen
Lorbeerbaum verwandelt. Seither ist der Lorbeerbaum dem Apollon heilig.) 




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