Freitag, 16. Februar 2024

Les enfants du paradis VI - X

Heinrich Schwieger-Uelzen: Schulhof, Öl, 1930. Abbildung in: Jürgen Schwalm, Heinrich Schwieger-Uelzen, Eva Schwieger-von Alten: "Schwingen", 1984

 

Jürgen Schwalm


LES ENFANTS DU PARADIS VI-X
 

VI

Welche Kinderei

dein Bild abzuschlecken

wie eine Katze.

In allen Fotoalben stellte ich dir nach,

schnitt ich dich aus,

hing dich in meinem Kleiderschrank auf 

neben den Konfirmationsanzug

und der ersten Sonntags-Krawatte.


VII

In der letzten Schulstunde

hatte ich deinen Namen

mit dem Taschenmesser

in mein Pult geritzt,

hatte mit meiner Nosferatu-Pranke

dein Herz gepfählt

und hinterm Schild der Bücher

noch im Unterricht

deinen Hals zerbissen

und dein Blut getrunken.


VIII

Das Treffen nach der Schule

musste geheim bleiben.

Schwör mir‘ s

Ich schwör‘ s.

Du weißt dass die Meineid-Hand verdorrt.

Meine Tribute für deine harte Faust:

Ein blaues Glas

dunkler als der Himmel

eine rote Muschel

ferner als das Meer.

Du schenktest mir nichts.

Aber ein Siegel blieb auf meiner Stirn,

das nie mehr abzuwaschen war.


IX

Als Goldregen über Steinmauern fiel

und die Wasser die Gärten

in den Himmel hängten,

stieg dein Spiegelbild aus dem Grund.

Du trugst das Visier deiner Jugend.

Die steilen Knospen waren erigiert.

Die verbotenen Wege verengten sich

zu hohen Fontänen.


X

Wir spielten unsere Träumerei

durch beide Tongeschlechter

vierhändig verschränkt

und achteten anfangs darauf,

dass wir uns dabei nicht berührten,

aber wenn es doch geschah,

durchzuckte uns ein elektrischer Schlag.

Dann ergab es sich,

dass wir uns über klingende Leitern hinweg

Finger zu Finger ertasteten,

und die Akkorde mussten

in langen Pausen

auf eine Auflösung warten,

die nie erfolgte.

 


 

 

 

 

 

 

 

Den Zyklus LES ENFANTS DU PARADIS widmete ich, wie in der letzten Woche ausgeführt, ARLETTY. Das Autogramm-Foto befindet sich in meinem Archiv. 

 

 

 

 

 


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