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Heinrich
Schwieger-Uelzen: Betender Bauer vor Kruzifix, Öl, 1927, reproduziert
beim Gedicht "Eine Berg-Legende" in Jürgen Schwalm, Heinrich
Schwieger-Uelzen, Eva Schwieger-von Alten: "Schwingen", Breit-Verlag,
1984
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Jürgen Schwalm
Eine
Berglegende
Vor
dem Wald lagen die Wolken als Himmelbett für die Schafe und die
Sonne schien aus Gottes rechtem Augenwinkel - Die Sommerwiese blühte
ins Blau - Du rochst nach Honig und Klee - Es tropfte vom Eis der
Firne - Von deinen Augen floss die Wasserschale über -Blaubeeren
wuchsen zwischen deinen Fingern die Hänge hinab - Hexen strickten im
Halbschatten Strümpfe für die Mücken aus Spinnweb - So waren alle
deine Märchen
Als
der Abend ging zur Ruh
Kam
ein Fiedler hergezogen
Strich
den harzbetränten Bogen
Deine
Tiere hörten ganz verzaubert zu
Tratst
du barfuß auch herzu
Bist
im Liede aufgeflogen –
So
waren alle deine Märchen - ohne alle Tücken - Sterne unschuldiger
Kinder – Aber ich habe dir Wasser und Erde abgefordert als Zeichen
deiner Übergabe – stach dir die Seitenwunde – da goss die Liebe
aus – Um unsern Hals war nun der Kettenring gelegt der uns
verschloss und unsre Haustür vor den Späherblicken – Ich fraß
mich in die Wände unsres Hofes ein – Kein Wetter konnte mich dort
mehr auswaschen – Du stelltest noch immer Blumen auf den Tisch –
doch jetzt mit Thymian und Frauenmanteltee zum abgebrühten
Seelenheil im Winkel – Altbackene Abendstunden in denen wir
glücklich sein mussten – wir hatten keine Wahl – nur eine Last
die krümmt – Es schärfte sich das Messer unserer Lieder – Ich
sah den Tod im roten Hut aus Mohn – der fuhr bergan im
Knochenschlitten – aber es war heiß - hatten meine Sorgen ein
schwarzes Kreuz aus Eisen geschmiedet – das stand auf kargem Acker
- und unsre Hände wurden Fichtenborke – Du wolltest mir noch
einmal einen Tag heraufreichen – Eben hielten deine Hände noch den
Holzkorb – nun sind sie so hilflos leer – nur noch Gebet
aufgerichtet vorm Wald am steinigten Weg – auf dem ich das letzte
Mal heimkehren werde – Vogel um im Nest zu sterben
Wenn
der Abend geht zur Ruh
Kommt
ein Fiedler hergezogen
Streicht
den harzbetränten Bogen
Meine
Tiere hören ganz verwundert zu
Tret
ich barfuß auch herzu
Wird
das Lied bald nicht mehr singen
Wird
mein Herz wie Glas zerspringen –
(Der
Text wurde in automatischer Schreibweise nach einem Traumbild
verfasst: Ich sah auf einer nach Thymian duftenden Sommerwiese einen
Schlitten; als ich näher kam, entdeckte ich mit Erschrecken, dass er
aus zusammengebundenen Menschen (?) – Knochen bestand. – Der Text
wurde erstmals veröffentlicht in: Jürgen Schwalm, Heinrich
Schwieger-Uelzen, Eva Schwieger von Alten: Schwingen, Breit-Verlag
1984)