Freitag, 20. September 2024

(Foto: Gisela Heese)

 

Stefan Lochner

Stefan Lochner: Maria im Rosenhag, Mischtechnik auf Holz, um 1450. Bildarchiv Schwalm

 

Am 14.4. 2007 berichteten die Lübecker Nachrichten: 556 Jahre nach seinem Tod hat der Kölner Maler Stephan Lochner einen Werbebrief der Deutschen Post AG erhalten. Der Brief hatte die Anschrift: „Stephan Lochner, Domkloster 4, 50667 Köln“ – die Adresse des Kölner Doms, wo Lochners vielgerühmter Altar der Stadtpatrone steht.


Jürgen Schwalm

Stefan Lochner

So eng war die Erde
und so weit der Himmel
fromm und gold
Als dich die Flügelschwinge streifte
sahst du den heiligen Zeigefinger
auf dein Herz gerichtet
Marias Hand und viel Gewand
DIE BLAUEN SEELENFALTEN
Du setztest deine Tugend ein
Du konntest nur noch glühn
Erst stauntest du verzückt
dann schmiegtest du dich ein
Die Hülle fiel
Du liebtest tief und lang
und alle Dornenranken schwiegen


*

Stefan (seltener) Stephan Lochner, geboren zwischen 1400 und 1410 in Meersburg
/Bodensee, gest. 1451 in Köln, vermutlich an der Pest
aus: Jürgen Schwalm, Farbwechsel, Wortbilder, Th. Breit Verlag Marquartstein, 1982)





 

Freitag, 13. September 2024

Georg Christoph Lichtenberg

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799, Physiker, Naturforscher, Mathematiker, Schriftsteller, Professor an der Universität Göttingen): Schwarzer Einband mit Goldprägung (Silhouette Lichtenbergs) einer Ausgabe der Aphorismen Lichtenbergs durch Josef Schirmer, die als kleinformatiger Druck der Hyperion-Druckerei im Hyperion-Verlag Freiburg im Breisgau (ohne Datum, wohl nach 1930) erschien. Das Exemplar, aus dem ich auch meine Auswahl zusammenstellte, befindet sich in meiner Bibliothek.

 

Georg Christoph Lichtenberg

Ein kleines feines Menü der Aphorismen Lichtenbergs
aus den Zutaten seines literarischen Obst-, Gemüse- und Kräutergartens


Wenn irgendein Phöbus seinen feurigen Wagen zur Erleuchtung und Verherrlichung der Welt an dem Firmament hinführt, so kann man sicher auf ein Dutzend Phaethone rechnen, die in ihrem Kabriolettchen und Halbchaischen hinterdrein purzeln.

Es gibt heutzutage so viele Genies, dass man recht froh sein soll, wenn einem der Himmel einmal ein Kind beschert, das keins ist.

Mit der christlichen Religion lässt sich Staat machen, aber wahrlich mit den Christen sehr wenig.

Die Geistlichen machen einen Lärm, wenn sie einen Mann sehen, der frei denkt, wie Hennen, die unter ihren Jungen ein Entchen haben, welches ins Wasser geht. Sie bedenken nicht, dass diese Leute in diesem Element so sicher leben als sie im Trocknen.

Glaubt ihr denn, dass der liebe Gott katholisch ist?

Ist es nicht sonderbar, dass die Menschen so gern für die Religion kämpfen und so ungern nach ihren Vorschriften leben?

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, das heißt vermutlich: Der Mensch schuf Gott nach dem seinigen.

Darf ein Volk seine Staatsverfassung ändern, wenn es will? Über diese Frage ist sehr viel Gutes und Schlechtes gesagt worden. Ich glaube, die beste Antwort darauf ist: Wer will es ihm wehren, wenn es dazu entschlossen ist.

Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?

Jeder Krieg ist eigentlich eine Völkerhetze. Man sollte die Sachen ausdrücken so wie sie sind. 

Ich möchte was darum geben, genau zu wissen, für wen eigentlich die Taten getan worden sind, von denen man öffentlich sagt, sie wären f ü r d a s V a t e r l a n d getan worden.

Wenn man die Geschlechter nicht an den Kleidungen erkennen könnte, ja überhaupt die Verschiedenheit des Geschlechts erraten müsste, so würde eine neue Welt von Liebe entstehen. 

Der Unterrock war rot und blau, sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theatervorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde leider nicht gespielt. 

Sein Erometer stand über 90 Grad.

A.: Ja, die Nonnen haben nicht allein ein strenges Gelübde der Keuschheit getan, sondern sie haben auch noch starke Gitter vor ihren Fenstern. - B.: O, durch die Gelübde wollten wir wohl kommen, wenn wir nur durch die Gitter wären.

Mit dem Band, das ihre Herzen binden sollte, haben sie ihren Frieden stranguliert.

Wer in sich selbst verliebt ist, hat wenigstens bei seiner Liebe den Vorteil, dass er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird.

Er hatte gar keinen Charakter, sondern, wenn er einen haben sollte, musste er immer erst einen annehmen.

Die Menschen gehen eigentlich nicht selbst in Gesellschaft, sondern schicken statt ihrer eine angekleidete Puppe hin, die sie auskleiden, wie sie wollen.

Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.

Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten.

Er hing noch auf der dortigen Universität wie ein schöner Kronleuchter, auf dem aber seit zwanzig Jahren kein Licht mehr gebrannt hatte.

Man sagt, jemand bekleidet ein Amt, wenn er von dem Amte bekleidet wird.

Die Fliege, die nicht geklappt sein will, setzt sich am sichersten auf die Klappe selbst.

In einem Aufsatze, in dem ein neuer Brunnenkurort empfohlen wird, wird auch angezeigt, dass ein schöner geräumiger Kirchhof da sei.

Ich weiß gar nicht, sagte das Nachtlichtchen zur Sonne, warum du dich allemal verkriechst, sowie ich zu brennen anfange, du fürchtest dich doch wohl nicht vor mir? Nein, war die Antwort, aber, wenn ich bliebe, wo bliebe dann das Nachtlichtchen.

Er hustete so hohl, dass man in jedem Laut den doppelten Resonanzboden Brust und Sarg mitzuhören glaubte.

Das einzige, was er Männliches an sich hatte, konnte er des Anstandes wegen nicht sehen lassen.

Die Bauernmädchen gehen barfuß und die vornehmen barbrust.

Ein Mädchen kaum zwölf Moden alt.

Die eine Schwester ergriff den Schleier und die andere den Hosenschlitz.

Der Mann hat viele Kinder. Ja, aber ich glaube, von den meisten hat er nur die Korrektur besorgt.
 

 

 

 

 

Freitag, 6. September 2024

Freundschaft und Liebe

Jürgen Schwalm: Die Geburt einer besseren Welt, Collage

 

 

Jürgen Schwalm


FREUNDSCHAFT UND LIEBE

Dieses Arsenal deiner frommer Sprüche
von Sternschnuppenbotschaften und Engelssignalen,

die mich weiter hungern lassen,
deine ekstatischen Versprechen:
„Für dich werden Rosen vom Himmel regnen“,
die mich weiter dursten lassen.

Gib mir Wasser und Brot
mit den schlichten Bettlersilben
Freundschaft / Liebe,
dann werde ich dir glauben.



(aus Jürgen Schwalm: Farbwechsel – Wortbilder, 1982).