Freitag, 28. Februar 2025

(Foto: Gisela Heese)

 

 

Wenn mein Kind tanzt...

Ulrikes Lieblings-Puppe, Foto: Jürgen Schwalm



Jürgen Schwalm

Wenn mein Kind tanzt
in Trauer versunken,
weinen die Sterne:
Tränen fürs Knopfloch der Träume
über dem Herzen der Märchen.

 

(Dieses Gedicht schrieb ich 1966, nachdem ich meine damals fünfjährige Tochter
beobachtet hatte, wie sie ganz für sich nach einer nur für sie hörbaren Melodie weinend tanzte.)

 

 

 

 

Freitag, 21. Februar 2025

Winter-Lied


 








 

 

 

 

  Jürgen Schwalm


Winter-Lied

Dieser starre Zweig
und seine weiße Last.
Du kamst zurück,
mein liebster Morgenbote,
noch ohne Schwingen,
streiftest meinen Schnee ab,
schütteltest mein Gefieder.
Geh nicht wieder fort.
Ich schenk dir Flügel
mit meiner Stimme.

 

 



 
 
Astrid Cordes: Wandschirm (Paravent)
mit Glasschliff: Vogelmotiv und Text des
Gedichtes "Winter-Lied" von Jürgen Schwalm,
1995. - Foto: Jürgen Schwalm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 14. Februar 2025

Adolf Friedrich Graf von Schack

Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894) gehörte im 19. Jahrhundert zu den geschätzten und bekanntesten Literaten und Kunstsammlern. König Maximilian von Bayern hatte ihn (neben u.a. Emanuel Geibel) zur Belebung der bayerischen Kulturszene als „Nordlicht“ nach München berufen, wo Schack die nach ihm benannte Schack-Galerie gründete. Im Handbuch der deutschen Literatur von August Kippenberg (Ausgabe von 1894) wird über Schack berichtet: Zu den Männern, mit denen Geibel in München im vertrauten Umgang verkehrte, gehörte auch Graf Adolf Friedrich von Schack, einer der bekanntesten und vielseitigsten Dichter der Gegenwart. In demselben Jahr wie Geibel geboren und ein Sohn derselben Ostseegegend (Schack stammt aus Brüsewitz in Mecklenburg-Schwerin), stellt er sich durch Adel der Gesinnung und Gehalt und Formenschöne seiner Poesie dem großen Genossen würdig zur Seite. Schack widmete sich nach einer kurzen Tätigkeit im Staatsdienste ganz der Kunst und Literatur. Für seine poetische Entwickelung waren von großer Bedeutung seine längeren Reisen in Spanien, Italien und dem Morgenlande; in dem ersten Lande nahm er einen mehrjährigen Aufenthalt. Außer lyrischen Erzeugnissen schuf Schack größere Ideendichtungen (Die Nächte des Orients oder die Weltalter), epische Gedichte (Die Plejaden) wie Novellen in Versen und auch eine größere Anzahl von wirkungsvollen
Dramen (Die Pisaner, Timandra). Ein entschiedener Zug in der Dichtung Schacks ist die echt nationale Gesinnung, von der manche seiner Schöpfungen so beredt Zeugnis ablegen. Der Dichter lebt seit vielenJahren in angenehmen Lebensverhältnissen zu München. 

 

  „Die Nächte des Orients“ widmete Schack meiner Ururgroßtante Hedwig Dragendorff (1807 – 1896) mit einem langen Eingangsgedicht. Hedwig Dragendorff war Gesellschafterin und Erzieherin im Elternhaus des jungen Adolf von Schack gewesen und blieb ihm zeitlebens freundschaftlich verbunden. Sowohl Hedwig Dragendorff als auch Schack schrieben und publizierten Erinnerungen, in denen sie -fast gleichlautend- ihrer gegenseitigen Zuneigung Ausdruck verliehen (s. hierzu: Jürgen Schwalm, Hedwig und Franziska Dragendorff, Lebensbilder aus dem 19. Jahrhundert, Seemann, 2022)

 

 
Fotos: 
Hedwig Dragendorf in der Jugend und im Alter 
(Bildarchiv Jürgen Schwalm)



 


 




Freitag, 7. Februar 2025

Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte 2025


 

Soeben erschien, herausgegeben von Seemann Publishing Mazarron, der Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte 2025, 48. Jahrgang, in dem Beiträge von 29 Autorinnen und Autoren stehen. Jürgen Schwalm publizierte darin frühe Erinnerungen unter dem Titel Rückblenden:

Motto:

Das Kind fragt nicht nach dem Wert und dem Unwert der Dinge. Es spielt mit Glasscherben wie mit Edelsteinen. Es sieht in allem ein Geheimnis, ein Abenteuer, ein Versprechen. Es hält sich für unsterblich, es glaubt nicht an Kreuz und Tod. Es verachtet die Vernunft und die Realität und könnte deswegen den Erwachsenen zeigen, wie man überlebt. 

Genealogisches Vorspiel – Ur-Stier und flüchtender Hirsch 

Karl Ernst von Baer hatte 1828 als erster darauf hingewiesen, dass die Larven oder Embryos zweier unterschiedlicher Arten einander stärker ähneln als die erwachsenen Exemplare dieser Arten. Nach ähnlichen Beobachtungen formulierte Ernst Haeckel 1866 die vieldiskutierte biogenetische Grundregel: Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese. Damit wird - weniger gelehrt formuliert – behauptet, dass auch der Mensch während des Wachstums im Unterleib die evolutionäre Entwicklung vom Ei über den Kiemenatmer wiederholt. In diesem Zusammenhang wird oft die Kiemenspaltenphase erwähnt, die der menschliche Embryo durchläuft. Die biogenetische Regel wurde später erweitert durch die Ansicht, dass Kinder im Laufe ihrer Sozialisation Stadien der kulturellen Entwicklung des Menschen absolvieren… Mit dem Geburtsvorgang wiederholt sich der Schöpfungsakt…

Vor der Geburt
als ich die Höhle fand
gejagt
knochenbleich im ungegerbten Fell
das Steinbeil im Fleisch schweißnass
als ich den Spalt fand
Bei der Geburt
als ich gepresst wurde
und die Eihaut schlitzte

Nach der Geburt
als ich in der Felsenflucht den Blitz sah
mit Blut malte
die Fingersprache
mit scharfen Nägeln
in die Wände ritzte
Bannsprüche und Zauberzeichen
in die Nacht schleuderte
kienrußige Bilder
ins Flackerlicht rückte:
den Ur-Stier und den flüchtenden Hirsch…