Mittwoch, 9. November 2022

"Ganz gehorsamstes Promemoria...."

Goethit, Varietät: Brauner Glaskopf, Harz. -Sammlung und Foto: Jürgen Schwalm

 

Johann Wolfgang von Goethe schrieb im März 1811 an das Landes-Polizeikollegium Weimar (zitiert nach Albert Haueis „Briefe deutscher Klassiker“, 1941):

Ganz gehorsamstes Promemoria.

Nach der älteren, erst vor kurzem unter dem 26. Februar erneuerten Polizeiverordnung, welche den Herrschaften zur Pflicht macht, die Dienstboten nicht bloß mit allgemeinen und unbedeutenden Attestaten zu entlassen, sondern darin gewissenhaft ihr Gutes und ihre Mängel auseinanderzusetzen, habe ich der Charlotte Hoyer, welche als Köchin bei mit in Diensten gestanden, als einer der boshaftesten und inkorrigibelsten Personen, die mir je vorgekommen, ein, wie die Beilage ausweist, freilich nicht sehr empfehlendes Zeugnis bei ihrem Abschiede eingehändigt.

Dieselbe hat sogleich ihre Tücke und Bosheit noch dadurch im Übermaß bewiesen, dass sie das Blatt, worauf auch ihrer ersten Herrschaft Zeugnis gestanden, zerrissen und die Fetzen davon im Hause herumgestreut; welche zum unmittelbaren Beweis gleichfalls hier angefügt sind.

Ein solches gegen die Gesetze wie gegen die Herrschaften gleich respektwidriges Benehmen, wodurch die Absichten eines hohen Polizeikollegii sowohl als der gute Wille der einzelnen, den vorhandenen Gesetzen und Anordnungen nachzukommen, fruchtlos gemacht werden, habe nicht verfehlen wollen sogleich hiermit schuldigst anzuzeigen und die Ahndung einer solchen Verwegenheit einsichtsvollem Ermessen anheim zu geben; wobei ich noch zu erwähnen für nötig erachte, dass es die Absicht gedachter Hoyer war, in die Dienste des hiesigen Hofschauspielers Wolff (1) zu treten.

Beilage

Charlotte Hoyer hat zwei Jahre in meinem Hause gedient. Für eine Köchin kann sie gelten und ist zuzeiten folgsam, höflich, sogar einschmeichelnd. Allein durch die Ungleichheit ihres Betragens hat sie sich zuletzt ganz unerträglich gemacht. Gewöhnlich beliebt es ihr nur nach eigenem Willen zu handeln und zu kochen; sie zeigt sich widerspenstig, zudringlich, grob und sucht diejenigen, die ihr zu befehlen haben, auf alle Weise zu ermüden. Unruhig und tückisch verhetzt sie ihre Mitdienenden und macht ihnen, wenn sie nicht mit ihr halten, das Leben sauer. Außer anderen verwandten Untugenden hat sie noch die, dass sie an den Türen horcht. Welches alles man, nach der erneuten Polizeiverordnung, hiermit ohne Rücksicht bezeugen wollen.

(Anm. 1) gemeint ist der Schauspieler und Schriftsteller Pius Alexander Wolff (1782-1828), der 1803 nach Weimar kam und durch Goethe gefördert wurde.

 

 

 

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