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Heinrich
Schwieger-Uelzen: Schulhof, Öl, 1930. Abbildung in: Jürgen Schwalm,
Heinrich Schwieger-Uelzen, Eva Schwieger-von Alten: "Schwingen", 1984 |
Jürgen Schwalm
LES ENFANTS DU PARADIS VI-X
VI
Welche Kinderei
dein Bild abzuschlecken
wie eine Katze.
In allen Fotoalben stellte ich dir nach,
schnitt ich dich aus,
hing dich in meinem Kleiderschrank auf
neben den Konfirmationsanzug
und der ersten Sonntags-Krawatte.
VII
In der letzten Schulstunde
hatte ich deinen Namen
mit dem Taschenmesser
in mein Pult geritzt,
hatte mit meiner Nosferatu-Pranke
dein Herz gepfählt
und hinterm Schild der Bücher
noch im Unterricht
deinen Hals zerbissen
und dein Blut getrunken.
VIII
Das Treffen nach der Schule
musste geheim bleiben.
Schwör mir‘ s
Ich schwör‘ s.
Du weißt dass die Meineid-Hand verdorrt.
Meine Tribute für deine harte Faust:
Ein blaues Glas
dunkler als der Himmel
eine rote Muschel
ferner als das Meer.
Du schenktest mir nichts.
Aber ein Siegel blieb auf meiner Stirn,
das nie mehr abzuwaschen war.
IX
Als Goldregen über Steinmauern fiel
und die Wasser die Gärten
in den Himmel hängten,
stieg dein Spiegelbild aus dem Grund.
Du trugst das Visier deiner Jugend.
Die steilen Knospen waren erigiert.
Die verbotenen Wege verengten sich
zu hohen Fontänen.
X
Wir spielten unsere Träumerei
durch beide Tongeschlechter
vierhändig verschränkt
und achteten anfangs darauf,
dass wir uns dabei nicht berührten,
aber wenn es doch geschah,
durchzuckte uns ein elektrischer Schlag.
Dann ergab es sich,
dass wir uns über klingende Leitern hinweg
Finger zu Finger ertasteten,
und die Akkorde mussten
in langen Pausen
auf eine Auflösung warten,
die nie erfolgte.
Den Zyklus LES ENFANTS DU PARADIS widmete ich, wie in der letzten Woche ausgeführt, ARLETTY. Das Autogramm-Foto befindet sich in meinem Archiv.