Freitag, 18. März 2022

Interview in NORDLICHT AKTUELL 3/2022

Jürgen Schwalm: Frühlings-Erwachen, Glasmalerei, 2010

 

In NORDLICHT AKTUELL 3/2022 erschien in der Rubrik DIE MENSCHEN IM LAND ein Interview von Jakob Wilder mit Jürgen Schwalm. Hieraus folgen Zitate:

„Die Kunst kann ein Lebenselixier sein“ - Dr. Jürgen Schwalm ist Arzt, Literat und Maler. Der in vielen Bereichen versierte und langjährig als Hautarzt tätige Lübecker feierte Ende Januar seinen 90. Geburtstag. Die NORDLICHT-Redaktion hat ihn getroffen und nachgefragt, was von einem langen und kreativen Leben am Ende bleibt und was noch kommt.

Nordlicht: Am Anfang eine naheliegende Frage an einen Menschen, der das 90. Lebensjahr erreicht hat. Wie geht es Ihnen gesundheitlich? - Schwalm: Lassen Sie mich mit einem Zitat - frei nach Wilhelm Busch - antworten: Die Locke wurde bei mir zwar nicht dahingerafft, doch der Leib ist leider mangelhaft. Meine Freunde loben nach wie vor meine geistige Kreativität und Frische; und manchmal bin ich eitel genug, annehmen zu dürfen, dass sie nicht lügen. Sinn für Humor und Selbstironie halte ich für zweckmäßige Hilfsmittel auch im Alter…Nordlicht: Sie stehen den Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringen, sehr aufgeschlossen gegenüber und nutzen den Blog www.juergenschwalm.blogspot.com zur Kommunikation. Was macht den Reiz dieses Mediums aus? Schwalm: Als kontaktfreudiger Mensch schätze ich den raschen Gedankenaustausch, aber auch die Möglichkeit, eigene Bilder zu zeigen und zur Diskussion zu stellen. Jedes Jahrhundert steigert sich mit besonderen technischen Entwicklungen und Einrichtungen: Das 19. Jahrhundert mit der Dampfmaschine, das vergangene Jahrhundert mit der Elektrotechnik und das 21. Jahrhundert wird von der Digitalisierung geprägt. Alle diese Errungenschaften bergen auch zukünftig Gefahren. Ich hoffe aber, dass sie durch einsichtige Korrekturmaßnahmen beherrschbar bleiben…Nordlicht: Einer Ihrer Sehnsuchtsorte ist Japan. Was fasziniert Sie so an diesem Land und seiner Kultur? Schwalm: Mein Interesse an Japan wurde schon als Kind durch meinen Urgroßvater, den Japanologen Johannes Justus Rein geweckt, als meine Mutter mitten im Krieg (1943) einen Teil seiner japanischen Kunstsammlung erbte. Später hatte ich die Freude, zweimal als Ehrengast nach Japan eingeladen worden zu sein. Ich genoss dabei die sprichwörtliche japanische Gastfreundschaft, gewann japanische Freunde und lernte, dass auch die Kunst, die nicht nach Sinn und Zweck fragt, sondern allein durch ihre Schönheit besticht, ein Lebenselixier sein kann. Nordlicht: Sie haben Ihre Interessen auf den unterschiedlichsten Gebieten über ein langes Leben hinweg ausgelebt. Was bleibt als Erkenntnis übrig? Schwalm: Alles Erarbeitete bleibt fragmentarisch. Damit muss ich mich arrangieren. Aber ich bin immer neugierig gewesen und kann es auch jetzt nicht lassen. Ich halte mich an den Aphorismus von Michel Jouvet: „Dem Wissen sind Grenzen gesetzt, aber das solle uns nicht von dem Versuch abhalten, sie zu überschreiten.“ Nordlicht: Und welche Ziele blieben wohl unerreicht? Schwalm: Im Leben wiederholen sich viele Ereignisse, aber ich ziehe -wie andere auch- leider häufig nicht die richtigen Schlüsse aus dem Erlebten und mache dieselben Fehler. Das kostbarste Gut für alle Menschen auf der Welt ist Frieden durch Toleranz. Der Frieden wird immer gefährdet bleiben, das liegt in der Natur jeder Kreatur. Vielleicht müssen wir schon zufrieden sein, wenn  es uns gelingt, die wichtigsten Lebensbelange (u.a. Klima, Umwelt) weltweit friedlich zu bessern. Die Probleme gänzlich lösen zu können, halte ich für eine Utopie. Nordlicht: Ihr Leben ist sozusagen auf der Zielgeraden. Wie setzen Sie sich mit dem Tod auseinander? Schwalm: Der Tod ist das Zubehör des Lebens. Warum soll ich mich in meinem  hohen Alter vor dem Tod fürchten? Er kann ja auch als Freund kommen. Und jedes Ende ist immer ein Neubeginn. Der Dichter Georg Philipp Schmidt von Lübeck hat es auch für mich mit ganz schlichten Worten formuliert: „Tod ist ja nur ein Menschenwort, denn Tod ist weder hier noch dort.“…

 

 

 

 

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