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Gebetbuch
Jakobs IV von Schottland und seiner Gemahlin Margaret Tudor / Wappen
König Jakobs IV von Schottland. Foto aus Hans Schöpf "Fabeltiere",
Akademische Druck- u. Verlagsanstalt Graz / Austria 1988. - Das Wappen
Jakobs IV wird von zwei Einhörnern getragen, deren Hörner Narwal-Zähnen
nachgebildet sind. |
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"Geschenkdose mit dem Einhorn" aus Limoges-Porzellan, hergestellt für
den Valentinstag (14. Februar) 1983 von der Sammlerartikel-Firma
Franklin Mint, Exton / Pennsylvania.- Sammlung: Jürgen Schwalm |
Statt eines
Weihnachtsmärchens
der Bericht von einem
Tier, das es nie gab:
Die Fabel vom Einhorn
Mit meiner Freundin, der
Malerin und Grafikerin Eva Schwieger-von Alten habe ich mich viel über die
Bedeutung des Einhorns in (christlichen) Legenden und Erzählungen unterhalten;
und vor vierzig Jahren hat sie für mich Exlibris gestaltet, auf denen der Kopf
eines pferdeähnlichen Einhorns zu sehen ist, um dessen -einem Narwal-Zahn
nachempfundenen – Horn sich eine Äskulapschlange windet.
In seinem „Kreuterbuch“ von
1679, in dem auch die „fürnehmsten vierfüßigen Thiere der Erden“ abgehandelt
wurden, gibt Adamus Lonicerus eine ausführliche Beschreibung des Einhorns, die
wir hier auszugsweise wiedergeben:
…“Hat den Namen von dem
einsamen einzigen Horn/so an seiner Stirn wächst. Ist einöd wild Thier/in den
wüsten wilden Wäldern in India /mit der
Gestalt des Leibs einem Pferd gleich/am Kopff gestalt wie ein Hirtz (Hirsch)/am
Halß hat es eine lange gelbe Haar/wie ein Roßkam/Füß wie ein Elephant/sein
Schwantz ist wie an einem wilden Schwein/mitten aus der Stirn wächst ihm ein
starck Horn/ ganz spitzig zwo Elen lang/hat eine brüllende Stimm/die Haar
seines Leibes seynt gelb. Dieses Thier wird nicht lebendig gefangen/sondern
wenn es mit dem Löwen streitet/so stellet der Löw sich wieder einen Baum/als
dann laufft das Einhorn mit vollem Lauff zum Löwen zu /und vermeinet ihn mit
dem Horn umzubringen/so weicht ihm der Löwe/und bleibt das Einhorn mit seinem
Horn in dem Baum stecken/und wird also von dem Löwen umgebracht…Es trägt
sonderliche Lieb und Wolgefallen zu den Jungfrauen und Weibspersonen/daß es
sich zu ihnen gesellt/wo es sie siehet/und Zahm bey ihnen gehet/ruhet und
entschläfft./Sein Horn wird zur Arzney hoch gepreiset/Dieses Horn wird sehr
verfälscht mit andern gebrandtem Horn und Beinen/Ist ein köstlich Arzney wider
alles Gifft/und auch wider gifftige Biß der wütende Hund. Item wider die
schwerfallende Kranckheit./
Obwohl das Einhorn Plinius,
Aelianus, Aristoteles, Ludovicus, Romanus, Paulus und Nicolaus von Venedig/und
viel andere mehr beschrieben/stimmen doch ihrer wenig dergestalt
überein/derowegen von Herr D. Ulysse Aldrovando in seinem Buch/von den
vierfüßigen Thieren mit ungespaltenen Klauen…nicht unbillich gezweifelt wird/ob
jemals ein Einhorn in der Welt gewesen sey/und ob wol hie und dort/dergleichen
Hörner aufenthalten und gezeiget werden/so will doch solches alles dem
Aldrovando, als welchem ich hierinnen beyfalle/seinen Zweifel nicht
benemen/dieweil nemlich solcher Hörner keins dem andern weder an Gestalt/noch
auch der Größe im geringsten gleich/und wird unter allen die davon
geschrieben/schwerlich ein einziger gefunden/der solches Thier selbst
gesehen/oder da er es schon vorgibt/mit
den anderen übereinstimme.“
Über die symbolische
Bedeutung des Einhorns schreibt Hans Schöpf in seinem Buch „Fabeltiere“:
„Neben den bekanntesten und
beliebtesten symbolischen Tieren wie zum Beispiel Phönix, Adler, Pelikan und
Löwe nimmt das Einhorn eine wichtige, man kann fast behaupten, vorrangige
Stellung ein…
Besondere Bedeutung kommt
dem Einhorn in der christlichen Symbolik und Mystik zu. Im guten Sinne bedeutet es das Kreuz
Christi, wie Justinus und Tertullian immer wieder betonen. Die meisten
Kirchenväter aber bringen das Einhorn in Zusammenhang mit Christus selbst,
wobei das Horn stets Ausgangs- und Anknüpfungspunkt ihrer Deutung bildet. ..
Der Hinweis mag genügen, dass das eine Horn bald die Macht Christi, bald seine
Unbesiegbarkeit, bald die Tatsache, dass er der eingeborene Sohn Gottes ist,
symbolisiert. Wichtig ist hingegen die Darstellung und Interpretation des
Tieres im Physiologus: Das Einhorn kann wegen seiner Kraft und Unbezähmbarkeit
vom Jäger nicht gefangen werden, sondern lässt sich nur durch eine reine
Jungfrau, der es sich zutraulich nähert, zähmen. Dieses Tier symbolisiert
Christus, den Unbesiegbaren, der in den Schoß der reinen Jungfrau kam…Außer für
Christus war das Einhorn auch noch positives Sinnbild für die Patriarchen,
Propheten, Apostel und schließlich die Gläubigen, weil sie ihre Stärke von dem
Gott haben und an diesen einen Gott glauben…Als Sinnbild der Reinheit,
Keuschheit und Jungfräulichkeit wurde das Einhorn auch zu einem Mariensymbol.
So begegnen uns in der christlichen Kunst immer wieder Mariendarstellungen mit
dem Einhorn im Schoß, die auf die unbefleckte Empfängnis des Gottessohnes durch
Maria hindeuten…Das Einhorn, das bei vielen Völkern bekannt ist, wird dort auch
als Symbol der Kraft und Stärke gedeutet. Sein Horn ist auch ein phallisches
Symbol, weil es jedoch der Stirn, dem „Sitz“ des Geistes entspringt, ist es
zugleich auch ein Symbol der Sublimation
sexueller Kräfte…Einerseits war das Einhorn ein mythisches Tier, dem man
natürlich alle möglichen Verhaltensweisen und Eigenschaften beiliegen konnte,
andererseits forderte das einzelne Horn zum Suchen von Analogien anderer
„Einzigartigkeit“ heraus, wobei es keine Grenzen gab. Dennoch wirkte die Fabel
des Physiologus am meisten nach und zwar besonders im profanen Bericht des
Spätmittelalters, wie eine Vielzahl von Minneallegorien im Gewande der
Einhornsymbolik beweist.“
Ein schönes Bild der
Einhornjagd, in der die gesamte christliche Symbolik dargestellt wird, ist im
Lübecker Dom zu sehen. Der Bildschnitzer des mittelalterlichen Altaraufsatzes
von 1506 ist unbekannt. Die gleichnishafte Szene ist eine Umsetzung der
biblischen Verkündigungsszene nach Lukas. Der dargestellte Jäger soll der Engel
Gabriel sein, der ein Einhorn in den Schoß Mariens treibt und damit die Rolle
Mariens an der Menschenwerdung Christi anzeigt.
(wird fortgesetzt) Jürgen
Schwalm