Freitag, 27. Dezember 2019
Samstag, 21. Dezember 2019
Weihnacht
Samstag, 14. Dezember 2019
Die Rose
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Jürgen Schwalm: Die letzte Rose des Jahres, Fotostudie, 2019 |
Jürgen Schwalm
Die Rose
Ihr Herz aus gefälteter Seide
arrangiert sich mit dem Schicksal,
das ihr blüht.
Sie wirft sich
in prachtvollen Roben
ihren Verehrern
an die Brust
und ritzt sie am Ende
mit ihren Dornen,
damit allen Schönheitstrunkenen
der Abschied von ihr
unvergesslich bleibt.
(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)
Samstag, 7. Dezember 2019
Die Laubfackel
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Jürgen Schwalm: Abend-Blatt für Peter, Collage, 1982 |
Jürgen Schwalm
Die Laubfackel
Säumt auch der Frost-Atem die Blätter
indem er weiße Totenspitzen
an aufgebäumte Zweifel häkelt
dringt doch ein Lichtstrahl sorgsam ein
durch Trauermoos und klamme Rinde
und tröstet tief das Holz mit seiner Flamme
(in: Jürgen Schwalm: Aus Zeit und Raum, 1986)
Freitag, 29. November 2019
Neuerscheinung - Miszellen zum Stadtjubiläum Lübecks
Neuerscheinung
Jürgen Schwalm publizierte Miszellen zum Stadtjubiläum
„875 Jahre Lübeck 2018“
(Lübeck – St. Marien – Palmarum 1942; Lübecks Glocken; Tatort Literatur Lübeck – Eine subjektive Betrachtung; Das Haus im halben Monde; Alt-Lübeck; Napoleonische Zeiten; …und Lübeck heute?!)
in:
Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte auf das Jahr 2020
42. Jahrgang, Verlagsgesellschaft Weinmann,
ISBN 978-3-921262-74-0
Samstag, 23. November 2019
Avant de mourir
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Jürgen Schwalm: Variation in h-moll auf Goldgrund, Fotostudie, 2016 |
Jürgen Schwalm
Avant de mourir*
Avant de mourir*
Nächtliche Tangoschritte
Liebevolle Erinnerungen
auf den Saiten der Violine verhaucht
Könnte mich als letztes Geschenk
diese Melodie
den jähen Abschied von dir
vergessen lassen
Würden diese schlichten Klänge
wenn ich dich
wo auch immer
wiedergefunden hätte
unseren Begrüßungskuss begleiten
dann bäte ich das Lied
weiter mit uns zu tanzen
über den Tod hinaus
auf den Saiten der Violine verhaucht
Könnte mich als letztes Geschenk
diese Melodie
den jähen Abschied von dir
vergessen lassen
Würden diese schlichten Klänge
wenn ich dich
wo auch immer
wiedergefunden hätte
unseren Begrüßungskuss begleiten
dann bäte ich das Lied
weiter mit uns zu tanzen
über den Tod hinaus
*Tango von
Georges Boulanger (1893-1958)
Freitag, 15. November 2019
Rezension von Gisela Heese in den "Lübeckischen Blättern" vom 9.11.2019
Unter
der Überschrift „Kein Muttertag im Oktober“ wurde eine ausführliche Rezension
von Gisela Heese in den „Lübeckischen Blättern“ vom 9. November 2019, S.
309-310 publiziert, in der die Veranstaltung des Lübecker Autorenkreises zum
Tag der Deutschen Einheit besprochen wird, die am 29. September 2019 stattfand.
Jürgen
Schwalm las dabei seine
Kurzgeschichte „Achtung – Aufnahme! Wort- und Tonspuren“, in der u.a.
aufgezeigt wird, wie durch die in den Jahren 1933-1945 nationalsozialistisch
ausgerichteten Rundfunksendungen die deutsche Jugend jener Zeit beeinflusst und
gleichgeschaltet werden sollte.
Samstag, 9. November 2019
Das abgelegte Gestern
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Jürgen Schwalm: "Der Weg in den Herbst", Collage. Coverbild für den "Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte auf das Jahr 2001 |
Jürgen Schwalm
Das abgelegte Gestern
Meine Einsamkeit
Der Rost des Abends
Hinter kahlem Geäst:
die Kälte
Wenn ich wüsste
ob du mich morgen noch rufen wirst:
Das wäre Beschränkung
Das Heute wundert sich
wie es möglich ist
Deine Hand findet meine Hand:
die Wärme
(aus: Farbwechsel, Wortbilder,1982)
Freitag, 1. November 2019
Herbst im Zuber
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Jürgen Schwalm: “Urpflanze und Urvogel” oder “Goethe erforscht die Natur”, Diptychon, Glasmalerei, 2011 |
Jürgen Schwalm
Herbst im Zuber
Die Gerüchteküche wabert, wenn der Herbst im Zuber dampft.
Im Dämmerlicht signalisieren sich die Bäume schlechte Nachrichten zu, stricken Kobolde an Verleumdungen.
Die Hausfrauen unter den Eichhörnchen haben zwar längst ihre Speisekammern gefüllt, inzwischen aber oft vergessen, wo sie ihre Schätze vergruben.
Doch die Waldhexe, die überall herumschnüffelt, verriet den Wildschweinen die Verstecke.
Die haben sich nach dem Fressen bei ihr mit einem Grunz-Konzert bedankt.
Die Hexe, die gerade einen giftigen Fliegenpilz-Trank in ihrem Nebeltopf kochte, hat sehr gelacht:
„Im nächsten Jahr reit’ ich wieder auf euch in die Walpurgisnacht.“
Da unkte eine alte Warzenkröte:
„ Solch Unfug steht bereits im Faust von Goethe.“
Freitag, 25. Oktober 2019
Die Schlange im Paradies
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Jürgen Schwalm: “Der Apfelpflücker”, Detail aus der Collage “Etruskische Freuden”, 2003 |
Jürgen Schwalm
Die Schlange im Paradies
Die Schlange im Paradies lockt immer wieder mit süßer
Frucht, deren Genuss sündhafte Wonnen verspricht. Doch sitzt der Wurm im Apfel.
Der Biss in solches Obst hat Konsequenzen.
Deshalb lernt jede kluge Eva schnell, Adam ihre eigenen
Äpfel anzubieten. Sie kommen ihrem Adam freilich meist nicht so verführerisch
vor wie die paradiesischen Früchte. Deshalb zerteilt Eva ihre Äpfel
häppchenweise und streut noch tüchtig Zucker darüber. Damit füttert sie ihren
Adam zur Mitternacht.
Und siehe da: Adam wird mit dieser Speise sehr zufrieden
sein, seine Eva loben und die Schlange im Paradies – wenigstens während des
Essens – vergessen.
(aus: Der Lebensbaum, Betrachtungen, 2005)
Samstag, 19. Oktober 2019
HIER-LÜBECK DE - Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung
HIER-LÜBECK.DE – Das Online-Magazin für Lübeck und Umgebung seit 1999 – berichtete (Zitate):
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm: Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern in der Lübecker Gemeinnützigen
Es war eine amüsante und abwechslungsreiche Soiree im Rahmen der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Litterärische Gespräche“. Am 19. September 2019 boten Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm im vollbesetzten Bildersaal der Lübecker „Gemeinnützigen“ unter dem Titel „Morgennatz und Ringelstern“ einen Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern. Subversives, lustvoll Anarchisches, Groteskes, Skurriles, Melancholisches und Ernsthaftes – dies alles findet sich in der Sprachartistik von Ringelnatz und Morgenstern… Die Gedichte von Ringelnatz und Morgenstern erinnern an den Dadaismus und die MERZ-Kunst von Kurt Schwitters…
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm, die eine hervoragende Textauswahl getroffen hatten, rezitierten zum Teil im Wechsel einfühlsam, nuanciert und akzentuiert und mit phantastischer Mimik und Gestik. Sie ergänzen die eindrucksvolle Präsentation mit erhellenden Kommentaren zu Leben und Werk der beiden Künstler. Beide wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit viel Beifall bedacht.
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm: Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern in der Lübecker Gemeinnützigen
Es war eine amüsante und abwechslungsreiche Soiree im Rahmen der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Litterärische Gespräche“. Am 19. September 2019 boten Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm im vollbesetzten Bildersaal der Lübecker „Gemeinnützigen“ unter dem Titel „Morgennatz und Ringelstern“ einen Rezitationsabend mit Gedichten und Prosa von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern. Subversives, lustvoll Anarchisches, Groteskes, Skurriles, Melancholisches und Ernsthaftes – dies alles findet sich in der Sprachartistik von Ringelnatz und Morgenstern… Die Gedichte von Ringelnatz und Morgenstern erinnern an den Dadaismus und die MERZ-Kunst von Kurt Schwitters…
Jutta Kähler und Dr. Jürgen Schwalm, die eine hervoragende Textauswahl getroffen hatten, rezitierten zum Teil im Wechsel einfühlsam, nuanciert und akzentuiert und mit phantastischer Mimik und Gestik. Sie ergänzen die eindrucksvolle Präsentation mit erhellenden Kommentaren zu Leben und Werk der beiden Künstler. Beide wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit viel Beifall bedacht.
Lutz Gallinat
Freitag, 11. Oktober 2019
332. Literarischer Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises
Am 29. September 2019 fand der
332. Literarische Frühschoppen des Lübecker Autorenkreises statt. Im
Mittelpunkt der Matinee standen Texte zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen
Einheit.
Zu den Vortragenden gehörte auch Jürgen
Schwalm.
Er las seine Kurzgeschichte Achtung-
Aufnahme! Wort- und Tonspuren, in der aufgezeigt wird, wie im 2. Weltkrieg
in Radiosendungen und Filmen über konsequente Propaganda ideologische
Gleichschaltung erreicht werden sollte und dabei auch die Jugend des Autors
geopfert wurde.
(Zitat:) “Noch immer jaulen die
Sirenen zum Alarm in meinen nächtlichen Träumen. Und die Entwarnung erfolgt
stets erst dann, wenn es zu spät ist.“
Die
Kurzgeschichte steht in der von Therese Chromik und Bodo Heimann 2010
herausgegebenen Anthologie „Anrufung des Friedens“
(ISBN 978-3-89876-488-9).
(ISBN 978-3-89876-488-9).
Samstag, 5. Oktober 2019
Lübecker Theater-Nacht am 28.09.2019
Samstag, 28. September 2019
Sonnenblume
Freitag, 20. September 2019
AVE EVA AVE
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Jürgen Schwalm: Blühender Garten, Hinterglasmalerei, 2019 |
Jürgen Schwalm
AVE EVA AVE
In memoriam Eva Schwieger-von Alten
In memoriam Eva Schwieger-von Alten
Dein Farbengarten sprengte jeden Rahmen
Du serviertest mir die Amselrufe schon zum Frühstück
legtest den Eichenschatten über den Mittagstisch
und schmücktest den Abend mit Sternblumen
Fruchtbar mehrte sich hier alles
Trink mich
rief das ungezähmte Grün
Ich wollte bei dir das Himmelblau
auf Flaschen ziehn für meinen Herzenswinter
und alle Wolken wie Tücher einsammeln
um dir damit zuwinken zu können
Du kannst aus deinem Namen
für immer meinen Gruß lesen:
AVE EVA AVE
Du serviertest mir die Amselrufe schon zum Frühstück
legtest den Eichenschatten über den Mittagstisch
und schmücktest den Abend mit Sternblumen
Fruchtbar mehrte sich hier alles
Trink mich
rief das ungezähmte Grün
Ich wollte bei dir das Himmelblau
auf Flaschen ziehn für meinen Herzenswinter
und alle Wolken wie Tücher einsammeln
um dir damit zuwinken zu können
Du kannst aus deinem Namen
für immer meinen Gruß lesen:
AVE EVA AVE
Freitag, 13. September 2019
"Morgennatz und Ringelstern"
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Christian Morgenstern: Fisches Nachtgesang. - Plakat: Jürgen Schwalm |
Donnerstag, d. 19. September 2019,
19.30 Uhr
Bildersaal der Gemeinnützigen
Königstraße 5, 23552 Lübeck
Jutta Kähler, Jürgen Schwalm:
„Morgennatz und Ringelstern“
Ein Rezitationsabend mit Gedichten und
Prosa
von Joachim Ringelnatz und Christian
Morgenstern
Morgennatz
und Ringelstern - - Warum vertauschen wir in der Ankündigung die Silben der
Namen der Dichter Morgenstern und Ringelnatz? Die drollige Namensverknüpfung
erscheint uns gerechtfertigt, weil sich beide in den Gedichten, die wir heute
vortragen werden, bei allen Unterschieden doch frappierend nahe kommen.
Beide
Autoren setzten ihre Fähigkeit ein, die verrückte Welt, die uns umgibt,
skrupellos und bis zur letzten Konsequenz so zu hinterfragen, dass der
Leser/Hörer kopfschüttelnd jeden Widerstand aufgibt und schließlich
nachdenklich geworden und gleichzeitig wie „ein satter Säugling zufrieden
lächelnd“ (Morgenstern) an ihren Höhenflügen teilnimmt.
Es
sind die nicht auszurottenden und sich wiederholenden Rechenfehler des
täglichen Lebens und der Welt, die beide Dichter zu ihren Eskapaden verführten.
Der Unsinn, der überall hinter dem Gerümpel der Realität hockt und
hervorgrinst, wird aufgedeckt und in verzwickten Aktionen mit erfindungsreicher
Akribie und sprachlicher Akrobatik bespiegelt. Da gibt es durchaus Experimente,
die an den Dadaismus und an die MERZ-Kunst Kurt Schwitters erinnern. Nach den
Manipulationen von Ringelnatz und Morgenstern steht hinterher nichts mehr an
ursprünglicher Stelle, alles ist verschoben und neu verschraubt worden. Beide Autoren
agieren so plausibel und suggestiv, dass auch der Leser Gefahr läuft und es
sogar zulässt, dass seine Sichtweise ver-rückt wird. Vorsicht, meine Damen und
Herren, Sie könnten zur Auffassung gelangen, dass die Verse, die Morgenstern
und Ringelnatz verknitteln, offenbaren sollen, dass es der Unsinn ist, der sich
als der eigentliche Sinn der Realität erweist.
Jürgen Schwalm
Samstag, 7. September 2019
Kypris
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Jürgen Schwalm: “Meeres-Frucht”, Hinterglasmalerei, 2019 |
Jürgen
Schwalm
Kypris
Kondensstreifen am Himmel:
Jet-Set-Zickzackschrift
moderner Götter
Wo einst
in der Schmiede des Lichts
die Strahlen gehärtet
wurden,
die Funken sprühten,
Feuer und Wasser sich
vereinten,
in der Esse des Windes
das Metall geschmolzen wurde
zu Zentnersäulen der Kraft
für die Glieder der Kypris,
entsteigt jetzt dem
dauergewellten Meer
eine Bikini-Schönheit
in blondgebleichter Pose
und zeigt ihr langes
Spielbein
den gefräßigen Strandräubern
(aus:
Griechische Zeilen)
Freitag, 30. August 2019
"Litera-Tour" 2019
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Diese Europa-Karte der deutschen Wehrmacht
begleitete uns im Mai 1945
auf unseren Fluchtwegen. – Archiv: Jürgen Schwalm
|
Seit
1991 veranstaltet der Lübecker
Autorenkreis jährlich eine „Litera-Tour“ in eines der neuen Bundesländer unter
dem Motto „Kennenlernen – aufeinander zugehen“, eine Initiative des Gründers
und 1. Vorsitzenden des Autorenkreises Klaus Rainer Goll. Der Autorenkreis
feiert 2020 sein 40-jähriges Bestehen.
In
diesem Jahr ging die 27. Litera-Tour vom 23. bis zum 25. August nach Bad Saarow
auf den Spuren u.a. von Johannes R. Becher, Maxim Gorki, Theodor Fontane und
des Komponisten Xaver Scharwenka, in dessen Haus, dem jetzigen
„Scharwenka-Kulturforum“, am 23. August eine Lesung mit Brandenburger und
Schleswig-Holsteiner Autorinnen und Autoren stattfand.
Gelesen
wurde Lyrik und Kurzprosa aus der gesamtdeutschen Anthologie „Grenzfälle“ (Texte aus Brandenburg und
Schleswig-Holstein, herausgegeben von Klaus Rainer Goll, Klaus Körner und Till
Sailer, verlag für berlin-brandenburg, 2017, ISBN 978-3-945256-82-4). Jürgen
Schwalm berichtete über seine Flucht im Mai 1945; er las sein Gedicht Jahrgang
1932 und einen Abschnitt aus dem Prosa-Text Zwischen den Fronten.
Freitag, 23. August 2019
Nymphaea
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Seerosen. Foto: Jürgen Schwalm, 2019 Jürgen Schwalm Seerose Nymphaea |
So selbstverliebt können sich nur solche Blüten auf dem Spiegel der Wasseroberfläche bewundern, die sich mit einem Stängel in der Tiefe verankert wissen. Mäzene, die im finstern Untergrund an der Geldquelle sitzen, protzen immer mit der Opulenz der Garderobe der Frauen, die sie in den Pranken halten, wobei es ihnen weniger darauf ankommt, ob diejenigen Stil haben, die am Stiel sitzen.
(aus dem Zyklus: Der Blütengarten)
Freitag, 16. August 2019
Der Knauf-Kopf
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Foto: Jürgen Schwalm, 2019 |
Der Knauf-Kopf
Kürzlich
schlenderte ich durch Lauenburg an der Elbe und bewunderte die alten oft
liebevoll restaurierten Fassaden der Häuser. Als ich das oben abgebildete
Ensemble sah, den Kopf am Knauf des Geländers und den Klingelzug bei der
Haustür, fiel mir als Folge einer alchemistischen Gedankenreaktion sofort „Der
goldene Topf“ von E. T. A. Hoffmann ein, das wohl schönste Kunstmärchen der
deutschen Romantik.
Der
Studiosus Anselmus will das Haus des königlichen Archivarius Lindhorst
betreten, aber der Archivarius ist eigentlich ein großer Geisterfürst aus dem
wunderbaren Geschlecht der Salamander und besitzt ein Rittergut in Atlantis,
dem Reich der Phantasie und der Poesie. In den Kampf des Geisterfürsten für die
Schönheit und gegen die schnöde Bosheit der Realität wird Anselmus auf
merkwürdige Weise einbezogen.
Wie
Anselmus eben die Hand erhebt, um den Türklopfer zu bedienen, verwandelt sich
dieser in die höhnisch grinsende Fratze einer teuflischen Frau, die im Verlauf
der magischen Handlung immer wieder ihre Daseinsform wechselt. Als Tochter
eines Flederwisches und einer Runkelrübe ist sie das feindliche Prinzip, das
als Apfelverkäuferin, Kartenlegerin oder als Kinderfrau agiert, aber auch als
Kaffeekanne die Gespräche junger Mädchen belauscht oder sich in einen
Türklopfer verwandelt.
Zwar
hat E. T. A. Hoffmann die Handlung in Dresden angesiedelt, aber bei derart
krausen Verwicklungen sei es dem Kopf doch gestattet, sich auch auf einem
Geländerknauf in Lauenburg zu präsentieren, zumal beide Orte an der Elbe
liegen.
Ach,
liebe Freundinnen und Freunde, lesen Sie den Goldenen Topf, und wenn Sie früher
schon daraus genascht haben, lesen Sie ihn noch einmal bis zum Happy End, das
man hübscher nicht erfinden kann: „Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit
etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller
Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbart?“
Jürgen Schwalm
Freitag, 9. August 2019
Ein Gedicht aus alter Zeit
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